Rz. 14
Der Sachverständige hat von dem Besichtigungstermin Gläubiger und Schuldner rechtzeitig zu benachrichtigen. Den Zutritt zu dem Grundstück kann jedoch weder der Sachverständige selbst noch der Gläubiger, auch nicht mithilfe des Gerichts, erzwingen. Verweigert der Schuldner dem gerichtlich bestellten Gutachter den Zutritt zu den Räumlichkeiten des Versteigerungsobjekts, kann die Festsetzung des Verkehrswerts dann jedoch nicht mit der Begründung der Unrichtigkeit des Werts angefochten werden. Dies sieht der BGH anders:
Zitat
"Für eine sofortige Beschwerde des Schuldners, die sich gegen die Wertfestsetzung in der Zwangsversteigerung richtet, ist auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben, wenn der Schuldner dem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Zutritt zu den Innenräumen des Versteigerungsobjekts ohne Angabe von Gründen versagt hat. Der Schuldner, der dem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Zutritt zu den Innenräumen des Versteigerungsobjekts versagt hat, kann Einwendungen gegen das Sachverständigengutachten und die im Anschluss daran erfolgte Wertfestsetzung nicht allein darauf stützen, dass er nunmehr den Zutritt ermöglichen will; eine erneute Ortsbesichtigung muss in aller Regel nur dann erfolgen, wenn der Schuldner nicht darauf hingewiesen worden ist, dass der Wert der Innenausstattung im Falle einer Zutrittsverweigerung geschätzt werden wird, oder wenn die Innenbesichtigung aus gewichtigen und nachvollziehbaren Gründen wie etwa einer plötzlichen gravierenden Erkrankung verweigert worden ist".
Diese Entscheidung zwingt die Vollstreckungsgerichte zu einer Belehrung an den Schuldner, die gesetzlich nicht vorgesehen ist. In jedem Falle wäre eine fehlende Belehrung gerade für sog. "Versteigerungsverhinderer" eine erneute Möglichkeit, das Verfahren zu stören.
Rz. 15
Hinweis
Wenn der Schuldner dem Sachverständigen und/oder dem anwesenden Gläubiger den Zutritt zu seinem Grundstück verweigert, erfolgt die Festsetzung des Verkehrswerts des zu versteigernden Objekts ausschließlich nach der Außenansicht und den vorhandenen Unterlagen, z.B. Bauplänen. Bei Teilnahme an der Ortsbesichtigung kann der Gläubiger den Schuldner jedoch darauf hinweisen, dass, wenn er den Zutritt nicht gestattet, auch eine Zwangsverwaltung angeordnet werden könnte. In diesem Fall hat der Schuldner u.U. auf Antrag das Grundstück zu räumen, § 149 Abs. 2 ZVG. Insbesondere hat auch der Zwangsverwalter die Pflicht, sich selbst den Besitz des Grundstücks zu verschaffen, § 150 Abs. 2 ZVG. Der Zwangsverwalter wird dem Gutachter daher regelmäßig den Zutritt zu dem Grundstück gestatten.
Auch die aktuelle Pandemie ist kein Grund, dem Sachverständigen im Verfahren der Verkehrswertfestsetzung den Zutritt zu verweigern. Ein genereller Hinweis auf die Sars-CoV-2-Pandemie ist keine ausreichende Entschuldigung, weil das aktuelle Infektionsgeschehen keine ausreichende Grundlage für eine konkrete und erhebliche Gefährdung der Beteiligten bietet und der möglichen Gefährdung durch entsprechende Schutzmaßnahmen (Einhalten der Mindestabstände, Tragen von Handschuhen oder Schutzkleidung und Masken, Öffnen der Fenster etc.) begegnet werden kann.
Rz. 16
Der Verkehrswert kann nach drei verschiedenen Wertermittlungsmethoden festgestellt werden:
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dem Sachwertverfahren, z.B. bei Einfamilienhäusern, Industriegrundstücken, Eigentumswohnungen, |
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dem Ertragswertverfahren, z.B. bei vermieteten Objekten, gewerblichen Objekten, |
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dem Vergleichswertverfahren, z.B. bei unbebauten Grundstücken. |
Bei der Festsetzung ist Grundstückszubehör gesondert zu bewerten.
Rz. 17
Die positive Beantwortung einer Bauvoranfrage für das Grundstück kann sich werterhöhend auswirken, wertmindernd wirken sich insbes. Altlasten, z.B. Ablagerungen, Versickerungen im Erdreich, aus. Bewirtschaftungskosten spielen bei der Festsetzung des Verkehrswerts regelmäßig eine untergeordnete Rolle, sodass sie nicht als verkehrswesentliche Eigenschaften angesehen werden können.