Rz. 1
Ein Vertrag zwischen einem Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer (Rechtsberater) und einem Auftraggeber kann – wie jede schuldrechtliche Verpflichtung – von den Vertragspartnern dahin ausgestaltet werden, dass der Schuldner (Rechtsberater) seine vertragliche Hauptleistung – ganz oder teilweise – nicht an seinen Mandanten zu erbringen hat, sondern an eine andere natürliche oder juristische Person, die zumindest nachträglich bestimmbar sein muss, und dass dieser Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern (§ 328 Abs. 1 BGB). In diesem Fall verspricht der Rechtsberater (Versprechender) seinem Auftraggeber (Versprechensempfänger), an den Dritten zu leisten. Fehlt eine entsprechende eindeutige Abrede über die Rechtsstellung des Dritten, der durch den Vertrag begünstigt wird, aber an dessen Abschluss nicht beteiligt ist, ist gem. § 328 Abs. 2 BGB im Wege der Vertragsauslegung aus den Umständen, insb. aus dem Zweck des Vertrages zu entnehmen, ob ein solcher Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegt. Dies gilt auch dann, wenn unklar ist, ob ein Forderungsrecht für den Dritten sofort voll oder nur unter gewissen Voraussetzungen – bedingt oder befristet – entstehen soll und ob die Vertragspartner sich die Befugnis vorbehalten haben, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern.
Rz. 2
In den Ausnahmefällen, in denen insoweit eine Vertragslücke vorliegt, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht.
Rz. 3
Die Auslegung kann folgende Fallgestaltungen ergeben:
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Es handelt sich um einen echten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB). Der Dritte erwirbt – ohne seine Mitwirkung – zu dem Zeitpunkt, der in dem (fremden) Vertrag zwischen dem Schuldner ("Versprechendem") und dessen Vertragspartner ("Versprechensempfänger") festgelegt ist – i.d.R. mit Abschluss des Vertrages – unmittelbar ("originär") in seiner Person – ohne Durchgangserwerb des Versprechensempfängers (also z.B. bei einem Anwaltsvertrag des Mandanten) – einen eigenen, selbstständigen Anspruch auf die (primär) geschuldete Vertragsleistung (also bei einem Anwaltsvertrag auf die Rechtsbetreuung), soweit diese nach dem Vertrag – vollständig oder teilweise – an den Begünstigten erbracht werden soll. Bei einer Leistungsstörung können dem Dritten, soweit nicht die Rechtsstellung des Versprechensempfängers entgegensteht, sekundäre Ansprüche – etwa auf Schadensersatz oder auf Herausgabe – zustehen (vgl. Rdn 12). |
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Bei einer solchen Vertragsgestaltung kann auch der Versprechensempfänger – also bei einem Rechtsberatervertrag der Mandant – regelmäßig die vertragliche Leistung – bei einer Leistungsstörung auch die Erfüllung sekundärer Ansprüche – an den Dritten verlangen (§ 335 BGB; vgl. Rdn 14). Ausnahmsweise kann jedoch der Wille der Vertragspartner dahin gehen, dass die Vertragsrechte des Gläubigers allein dem Dritten zustehen sollen (vgl. die in § 335 BGB enthaltene Einschränkung). |
Rz. 4
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Andererseits kann ein unechter Vertrag zugunsten eines Dritten vorliegen. Nach dem Willen der Vertragsschließenden hat dann zwar der Schuldner seine Leistung an einen oder zugunsten eines Dritten zu erbringen, allein der Vertragspartner als Gläubiger darf aber die geschuldete Leistung an den Dritten verlangen. In einem solchen Fall erfüllt der Schuldner seine Vertragspflicht durch Leistung ggü. dem Dritten (§§ 182, 185 Abs. 1, 362 Abs. 2 BGB). |