I. Grundsatz
Rz. 15
Das Betreuungsgericht muss innerhalb eines Betreuungsverfahrens Kenntnis von einer Betreuungsverfügung bzw. von Dokumenten, die Wünsche des Betroffenen im Zusammenhang mit einer Betreuung beinhalten, erhalten. Deswegen normiert § 1816 Abs. 2 S. 4 BGB, dass derjenige, der von der Einleitung eines Verfahrens über die Betreuerbestellung Kenntnis erlangt und ein Dokument besitzt, in dem "Wünsche zur Auswahl des Betreuers oder zur Wahrnehmung der Betreuung enthalten sind, das Dokument dem Betreuungsgericht zu übermitteln hat. Wie bei der Vorgängernorm § 1901c BGB a.F. wird § 1816 Abs. 2 BGB über Schriftstücke hinaus analog anzuwenden sein, wenn sonstige Datenträger wie Disketten, USB-Stick, Videoband oder Tonband vergleichbar einem Schriftstück herausgegeben werden können."
II. Bestimmungen für Betreuungsverfügungen (Ablieferungspflicht)
Rz. 16
Diese Pflicht besteht, sobald der Besitzer des Schriftstückes von der Einleitung des Betreuungsverfahrens Kenntnis erlangt hat. Die Pflicht zur Ablieferung für den Besitzer entsteht erst ab dem Zeitpunkt, ab dem dieser positive Kenntnis von der Einleitung eines Betreuungsverfahrens nach §§ 278 ff. FamFG erlangt hat. Nicht ausreichend ist die Kenntnis von der Betreuungsbedürftigkeit. Die Ablieferungspflicht endet nicht mit Bestellung eines Betreuers, sondern dauert bis zur Aufhebung der Betreuung an.
Rz. 17
Gemeint sind vor allem klassische Betreuungsverfügungen, mit denen der Betroffene Vorschläge zur Auswahl der Person des Betreuers an das Betreuungsgericht richtet (§ 1816 Abs. 2 BGB; § 1897 Abs. 4 BGB a.F.; siehe § 4 Rdn 33). Sofern die vorgeschlagene Person zum Betreuer bestellt werden kann, sind diese Vorschläge für das Gericht verbindlich (§ 1816 Abs. 2 BGB; § 1897 Abs. 3 BGB a.F.). Der Wunsch ist aber dann nicht verbindlich, wenn "die gewünschte Person zur Führung ungeeignet" ist (§ 1816 Abs. 2 S. 1 BGB). Mangelnde Eignung liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht anhand konkreter Tatsachen erhebliche Interessenkonflikte feststellt oder wenn ein Missbrauch eines zu der betroffenen Person bestehenden Vertrauensverhältnisses durch den potenziellen Betreuer konkret zu befürchten ist.
Rz. 18
Von der Ablieferungspflicht sind auch Schriftstücke mit Wünschen des Betroffenen hinsichtlich der Wahrnehmung der Betreuung umfasst (§ 1816 Abs. 2 S. 3 BGB; § 1901 Abs. 3 S. 2 BGB a.F.; siehe § 4 Rdn 29). Diese können sich etwa auf Gesundheitsangelegenheiten, auf Geld- und sonstige Vermögensangelegenheiten und den Aufenthalt bzw. eine etwaige Heimunterbringung des Betroffenen beziehen. Damit sind auch Patientenverfügungen gemeint, die regelmäßig Wünsche über etwaige lebensverlängernde oder -erhaltende Maßnahmen enthalten. Zum einen müssen diese Wünsche dem Betreuer bekannt sein, zum anderen muss das Betreuungsgericht davon Kenntnis haben, wenn es etwa über die Genehmigung einer medizinischen (Zwangs-)Maßnahme zu entscheiden hat. Dagegen differenziert Kieß, der eine Patientenverfügung als eine an einen Arzt gerichtete Erklärung ansieht, die nicht stets ablieferungspflichtig sei. Eine solche Patientenverfügung hätte für die Einleitung des Betreuungsverfahrens noch keine Relevanz. Abzuliefern sei dagegen eine Patientenverfügung, die Erklärungen zu Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit enthält. Eine solche Patientenverfügung sei abzuliefern. Roglmeier hält zutreffend pauschal Patientenverfügungen für ablieferungspflichtig. Darüber hinaus macht sie darauf aufmerksam, dass auch der Widerruf einer Betreuungsverfügung der Ablieferungsverpflichtung unterliegt.
Rz. 19
Der tatsächliche Besitzer eines solchen Schriftstücks ist ablieferungspflichtig. Pflichtig ist der unmittelbare Besitzer (§ 854 BGB); in diesem Zusammenhang hat die Frage der Berechtigung zum Besitz keine Entscheidungserheblichkeit. Dagegen ist die ggf. zu betreuende Person als Betroffene nicht selbst ablieferungspflichtig; so kann diese Person natürlich selbst entscheiden, ob sie das Schriftstück dem Betreuungsgericht aushändigen oder von dem Inhalt des Schriftstückes abweichen möchte. Zu den Verpflichteten gehört auch ein Notar, der bei einer beurkundeten Betreuungsverfügung nicht die Urschrift als Original, sondern eine Ausfertigung abzuliefern hat.
Muster 9.1: Ablieferung einer Betreuungsverfügung an das Betreuungsgericht
Muster 9.1: Ablieferung einer Betreuungsverfügung an das Betreuungsgericht
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe davon Kenntnis erhalten, dass für _________________________, geboren am _________________________, ein Betreuungsverfahren besteht. Herr _________________________ hatte mir vor einigen Jahren die von ihm am _________________________ unterzeichnete Betreuungsverfügung übergeben. Im Ernstfall sollte ich sie dann an das Betreuungsgericht senden. Daher liefere ich im Sinne von § 1901c BGB das Original dieser Betreuungsverfügung hiermit ab.