Michael Krämer, Esthersine Böhmer
Rz. 55
& 1.
Es ist keineswegs in allen Landesbauordnungen vorgeschrieben, dass Nachbarn, sog. Angrenzer, von der Baubehörde beteiligt werden. So sollen die Angrenzer in NRW nur vor Zulassung von Abweichungen benachrichtigt werden, § 72 Abs. 1 BauO NRW n.F. ab 21.7.2018. Diese Benachrichtigung entfällt, wenn die Angrenzer bereits Lagepläne oder Bauzeichnungen unterschrieben haben, § 72 Abs. 2 BauO NRW n.F. ab 28.12.2017.
Ohne Baugenehmigung sind genehmigungsfreie Bauvorhaben zulässig, § 64 BauO NRW. Da in diesen Fällen eine Baugenehmigung fehlt, welche angefochten werden könnte, muss eine Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Baubehörde erhoben werden.
Rz. 56
& 2.
Der Nachbar ist zunächst einmal kein Beteiligter des Baugenehmigungsverfahrens, vgl. § 13 Abs. 1 VwVfG NRW, er muss also nicht beteiligt werden. Gemäß § 13 Abs. 2 VwVfG NRW kann er aber auf Antrag beteiligt werden, weil seine rechtlichen Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können. Es empfiehlt sich, einen solchen Antrag auf Beteiligung zu stellen, um dann Akteneinsicht nach § 29 Abs. 1 VwVfG NRW nehmen zu können.
"Nachbar" im Sinne des Nachbarrechtsschutzes kann grundsätzlich nur der Eigentümer des unmittelbar angrenzenden Grundstücks sein, da grundsätzlich nur dieser in nachbarschützenden Rechten, wie zum Beispiel Einhaltung der Abstandsflächen nach § 6 BauO NRW, beeinträchtigt sein kann.
Rz. 57
& 3.
Klagen gegen Nachbarbauvorhaben haben keine aufschiebenden Wirkung, dies ergibt sich aus § 212a BauGB. Da der Nachbar einen Rechtsbehelf gegen einen an einen Dritten, nämlich den Bauherren, gerichteten Verwaltungsakt einlegt, ist § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO einschlägig. Gemäß § 80a Abs. 3 VwGO findet § 80 Abs. 5–8 VwGO entsprechende Anwendung.
Sofern es sich um ein genehmigungsfreies Vorhaben handelt, scheidet Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO aus und es muss Eilrechtsschutz nach § 123 VwGO beantragt werden.
Rz. 58
& 4.
Das Gericht wird im Rahmen des Eilrechtsschutzes in der Regel einen Erörterungstermin vor Ort ansetzen. Die vorläufige Entscheidung im Eilrechtsschutz kann vom Gericht jederzeit geändert oder aufgehoben werden, nämlich wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände, § 80 Abs. 7 VwGO. Die Beschwerde an das OVG gegen eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz ist nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässig. Die Frist beträgt nach § 147 VwGO zwei Wochen.
Ist im Zeitpunkt des Urteils der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Das Rückgängigmachen kann durch Erlass einer Abbruchverfügung geschehen, wenn der baurechtswidrige Zustand nicht auf andere Weise beseitigt werden kann.
Rz. 59
& 5.
Zusätzlich zu Sichtung der genannten Unterlagen ist eine Ortsbesichtigung des Baugrundstücks und der umgebenden Bebauung unbedingt zu empfehlen. Dabei erhält man regelmäßig weitere Informationen, die aus Lageplänen und Luftbildern nicht ersichtlich sind.
Rz. 60
& 6.
Nachbarschützende Vorschriften finden sich vor allem in den Regelungen der Bauordnung über Grenzabstände, Brandschutz, Schutz vor Immissionen, bei Bestehen eines Bebauungsplans gegebenenfalls aus den dort geregelten nachbarschützenden Festsetzungen, bei Fehlen eines Bebauungsplans in § 34 BauGB in Verbindung mit Regelungen der BauNVO sowie im BImSchG. Es würde aber den hier gegebenen Rahmen sprengen, alle denkbaren Vorschriften aufzuzählen. Bei einigen Vorschriften ist es auch umstritten, ob diese nachbarschützende Wirkung entfalten, oder nur dem öffentlichen Interesse dienen sollen.
Rz. 61
& 7.
Für den Erfolg einer Nachbarklage reicht es nicht aus, wenn das Bauvorhaben rechtswidrig ist. Vielmehr muss der Kläger durch die Baugenehmigung auch in seinen Rechten verletzt sein. Dies ergibt sich klar aus § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO: "Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt auf."