I. Grundsätze der Vor- und Nacherbeneinsetzung
Rz. 1
Die Ziele eines Unternehmertestaments sind vielschichtig. Ganz abgesehen davon, dass es dem Unternehmer vornehmlich darum gehen wird, den Fortbestand seines Unternehmens in einer ganzheitlichen Lösung unter bestmöglicher Ausnutzung der steuerlichen Möglichkeiten zu gewährleisten, so wird es ihm in der Regel auch wichtig sein, seine Familie abzusichern und Ausgleichs- und Abfindungsansprüche zu minimieren. Neben zahlreichen rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen sind auch unternehmerische und betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte, ebenso wie familiäre und finanzielle Aspekte zu würdigen und in Einklang zu bringen. Alle Ziele lassen sich nur selten realisieren und Konflikte sind häufig vorprogrammiert. Im Kanon der erbrechtlichen Gestaltungsmittel (Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage, Testamentsvollstreckung etc.) nimmt die Vor- und Nacherbeinsetzung – gerade bei Unternehmertestamenten – aufgrund diverser Spezifika eine Sonderstellung ein.
Rz. 2
Die Vor- und Nacherbeneinsetzung (§ 2100 BGB) ermöglicht dem Erblasser, durch Testament oder Erbvertrag mehreren Erben zeitlich einander folgend sein Vermögen zukommen zu lassen und nach seinem Tod über sein Vermögen für mehrere Generationen zu disponieren (vgl. § 2109 BGB). Die Nacherbeneinsetzung bewirkt, dass das Vermögen des Erblassers, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt – nämlich mit Eintritt des Nacherbfalls – letztlich dem Nacherben zukommt (§§ 2106, 2139 BGB). Dies kann beispielsweise dann von Interesse für den Erblasser sein, wenn es darum geht, den Vorerben lediglich zeitlich befristet als ersten Nachfolger bis zum Heranwachsen des Nacherben als Erben einzusetzen oder aber, um Gläubigern den Zugriff auf das Nachlassvermögen unmöglich zu machen, insoweit als dass Zwangsvollstreckungsverfügungen für unwirksam erklärt werden (§ 2115 BGB).
Rz. 3
Der Vorerbe hört mit dem Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses (Nacherbfall) auf, Erbe zu sein (§§ 2100, 2139 BGB) und die Erbschaft geht von selbst auf den Nacherben über. Der Vorerbe ist im Gegensatz zum Vollerben "Erbe auf Zeit". Sowohl der Vor- als auch der Nacherbe sind zeitlich nachfolgend beide Erben desselben Erblassers und derselben Erbschaft und haben zeitlich nachfolgend ein ungeteiltes Erbrecht. Auch der Nacherbe ist Erbe des Erblassers und nicht etwa des Vorerben. Bereits mit dem Erbfall erlangt der Nacherbe eine nicht entziehbare Rechtsposition an der Erbschaft (Anwartschaftsrecht). Überdies stehen dem Nacherben Mitverwaltungs-, Kontroll- und Sicherungsrechte zu (§§ 2116, 2121–2123, 2127–2129 BGB). Dem Vorerben stehen i.d.R. nur die Nutzungen und die Früchte (§§ 99, 100 BGB) zu, wie Zinsen und Dividenden. Zwar kann der Vorerbe über die Nachlassgegenstände verfügen, ihm steht aber aufgrund seiner "Erbenstellung auf Zeit" keine uneingeschränkte Verfügungsmacht zu, wie sich beispielsweise für Immobiliarvermögen aus §§ 2112, 2113 BGB ergibt. Auch unterliegt der Vorerbe in seiner Verfügungsmacht schuldrechtlichen Mitverwaltungsrechten (§§ 2116–2119 BGB) sowie Kontroll- und Sicherungsrechten (§§ 2121–2123, 2127–2129 BGB).
Rz. 4
Obgleich bis zum Eintritt des Nacherbfalls der Vorerbe Erbe im Sinne des § 1922 BGB und damit Rechtsnachfolger des Erblassers ist, wird seine Rechtsstellung oft mit der eines Nießbrauchers verglichen. Abhängig vom Zweck, den der Erblasser mit der Vor- und Nacherbeinsetzung verfolgt, kann er die befreite Vorerbschaft anordnen (§ 2136 BGB). Der nicht befreite Vorerbe unterliegt den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2112 ff. BGB und hat wegen seiner eingeschränkten Dispositionsbefugnis eine einem Nießbraucher vergleichbare Stellung inne (§ 1089 BGB).
II. Nachteile der Vor- und Nacherbschaft
Rz. 5
Dass mit der Anordnung einer Vor- und Nacherbeneinsetzung praktische und wirtschaftliche Nachteile verbunden sein können, darüber sollte sich der Testator bewusst sein.
Gerade im Bereich der Unternehmensnachfolge kann die Vor- und Nacherbschaft nur in Ausnahmefällen eine sinnvolle Gestaltungsalternative bilden. Im Hinblick auf die vielfältigen Beschränkungen, denen der Vorerbe unterliegt (und von denen nur eingeschränkt Befreiung erteilt werden kann), und die zahlreichen Kontrollmöglichkeiten des Nacherben (bzw. seines Vertreters) sind seine Möglichkeiten, wirklich unternehmerisch zu handeln, stark limitiert. Dies gilt nicht nur für sein eigenes Handeln, sondern mitunter auch für die Reaktionen etwaiger Geschäftspartner, insbesondere finanzierender Banken, die dem Vorerben mitunter – wegen der Vor- und Nacherbschaft (und dem damit verbundenen Risiko, der Vorerbe könnte Kreditmittel entgegen dem Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB verwenden) – die Kreditgewährung verweigern.
Rz. 6
Ein weiterer wesentliche...