I. Grundsätzliche Schwierigkeiten
Rz. 93
Voraussetzung dafür, dass die Vor- und Nacherbeneinsetzung im Unternehmensbereich die beabsichtigten Wirkungen entfalten kann, ist, dass das Unternehmen als solches überhaupt vererblich ist. Bei Einzelunternehmen bereitet die Vererblichkeit grundsätzlich keine Probleme, vgl. § 22 HGB. Anders stellt sich die Lage aber bei Personengesellschaftsanteilen dar, die von Gesetzes wegen – soweit es um die Beteiligung eines persönlich haftenden Gesellschafters geht – bekanntlich nicht vererblich sind, so dass auch eine Vor- und Nacherbschaft nur auf der Grundlage einer – wie auch immer gearteten – Nachfolgeklausel in Betracht kommt. Insoweit ist aber zu beachten, dass sowohl die rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel als auch die Eintrittsklausel nicht den ursprünglichen, vom Erblasser stammenden Anteil vererblich stellen, sondern vielmehr dem Eintrittsberechtigten die Möglichkeit der Begründung einer neuen, eigenständigen Beteiligung ermöglichen. In diesen Fällen geht daher die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft ins Leere.
Rz. 94
Auch im Übrigen ist bei der Verwendung des Gestaltungsmittels "Vor- und Nacherbschaft" im Unternehmensbereich größte Vorsicht geboten, da insbesondere das Schenkungsverbot des § 2113 Abs. 2 BGB zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen kann (vgl. unten Rdn 108 f.). Auch die Abgrenzung von dem Vorerben zustehenden Erträgen von der dem Nacherben zustehenden Vermögenssubstanz kann sich in der Praxis durchaus als schwierig erweisen; Gleiches gilt für die anfallenden Aufwendungen. Verschärft werden viele dieser potenziellen Probleme dadurch, dass oftmals der berufene Nacherbe erst (lange) nach dem Eintritt des Erbfalles geboren wird bzw. seine Volljährigkeit erlangt mit der Folge, dass eine rechtlich bindende Abstimmung zwischen Vor- und Nacherben dramatisch erschwert wird.
II. Wahlrecht nach § 139 HGB
Rz. 95
Rückt der Vorerbe aufgrund einer Nachfolgeklausel in die Gesellschafterstellung eines persönlich haftenden Gesellschafters (einer Personengesellschaft) nach, steht ihm das Wahlrecht nach § 139 HGB zu. Auch wenn die Vorerbschaft nur bis zum Eintritt des Nacherbfalles andauert und daher die Gesellschafterstellung des Vorerben nicht unbefristet ist, führt das Nachrücken in die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters dazu, dass auch der Vorerbe mit seinem gesamten Vermögen für etwaige Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften müsste. Hieran ändern auch möglicherweise bestehende erbrechtliche Ausgleichsansprüche (insbesondere gegenüber dem Nacherben) im Ergebnis nichts. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, dem Vorerben das Wahlrecht nach § 139 HGB zu versagen. Aus denselben Gründen muss die Wahlrechtsausübung auch ohne Zustimmung des Nacherben möglich sein.
Rz. 96
Die Ausübung des Wahlrechts nach § 139 HGB führt dazu, dass der Vorerbe entweder aus der Gesellschaft ausscheidet oder aber sich seine Gesellschafterstellung in diejenige eines Kommanditisten umwandelt. Beides führt dazu, dass sich das der Vor- und Nacherbschaft unterliegende Vermögen in seiner Gestalt verändert. Entweder tritt an die Stelle des ursprünglichen Gesellschaftsanteils ein Abfindungsanspruch bzw. die zur Auszahlung kommende Abfindung oder aus dem ursprünglichen, mit persönlicher Haftung belasteten, Gesellschaftsanteil wird ein Kommanditanteil. Im Nacherbfall kann jedenfalls nur der dann vorhandene Vermögensgegenstand auf den Nacherben übergehen. Im Falle der Kommanditbeteiligung ist weitere Voraussetzung für den Übergang, dass der Anteil überhaupt – entsprechend dem gesetzlichen Leitbild – vererblich ist. Ein Anspruch des Nacherben auf Rückumwandlung seines Kommanditanteils in eine persönliche haftende Beteiligung besteht nicht. Bleibt der Vorerbe allerdings persönlich haftender Gesellschafter, hat der Nacherbe nach dem Nacherbfall selbst das Wahlrecht nach § 139 HGB.
Rz. 97
Vor diesen Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Frage der Wahlrechtsausübung nach § 139 HGB testamentarisch zu regeln. Das kann in der Weise geschehen, dass der Erblasser klarstellt, dass er sich über das Bestehen des Wahlrechts im Klaren ist und die Entscheidung des Vorerben insoweit auch vom Nacherben zu akzeptieren sein soll (selbst dann, wenn im Falle des Ausscheidens nur eine unter dem Verkehrswert liegenden Abfindung realisiert werden kann; zur hiermit verbundenen Problematik des Schenkungsverbots vgl. unten Rdn 108 f.). Ebenso wäre es denkbar, dem Vorerben die Auflage zu machen, das Wahlrecht nach § 139 HGB nicht auszuüben, wobei sich die Frage stellt, durch welche Sanktionen diese Auflage abgesichert wird und inwieweit der Erblasser in der Lage ist, hierdurch eine ausreichende Motivation für den Vorerben aufzubauen. Im Zweifel muss durch eine geeignete Ersatzerbenregelung Vorsorge ...