Rz. 48
Der Vorerbe hat das auf Substanzerlangung und Substanzerhaltung gerichtete Erbschaftsinteresse des Nacherben zu wahren. Daher ist bei Eintritt des Nacherbfalls der Nachlass in dem Zustand an den Nacherben herauszugeben, der sich bei einer bis zur Herausgabe fortgesetzten ordnungsmäßigen Verwaltung ergibt (§ 2130 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rz. 49
Das Nachlassvermögen ist frei von Verfügungen des Vorerben herauszugeben (§§ 2113 ff. BGB), da auch der Nacherbe den Nachlass als Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht etwa des Vorerben erlangt. Ob und inwieweit der Vorerbe unter Berücksichtigung seiner Herausgabepflicht (§ 2130 BGB) letztlich über Nachlassgegenstände verfügen darf, richtet sich nach dem Inhalt der Verfügung von Todes wegen (§ 2136 BGB) und nach dem Maßstab der ordnungsmäßigen Verwaltung (§ 2120 S. 1 BGB). Die ordnungsmäßige Verwaltung fordert die Erhaltung des Nachlasses in seiner Wertsubstanz. Der Nacherbe ist zur Erteilung seiner Einwilligung zu Verfügungen (§§ 2113, 2114, 2116 Abs. 2, 2117, 2118 BGB), die zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich sind, verpflichtet (§ 2120 S. 1 BGB).
Rz. 50
Mit dem Nacherbfall werden Verfügungen i.S.d. §§ 2113–2115 BGB automatisch mit Wirkung "ex nunc" insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben beeinträchtigen würden. Der Begriff der Verfügung meint die dingliche Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung und Aufgabe der zum Nachlass gehörenden Sachen und Rechte. Schuldrechtliche Verträge sind nicht umfasst, hier droht aber eine Haftung des Vorerben nach §§ 2130, 2131 BGB bzw. eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Vertragspartner.
Rz. 51
Im Rahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung darf der Vorerbe Nachlassgegenstände nicht für sich verwenden (§ 2134 BGB). Tätigt der Vorerbe dennoch eigennützige Verwendungen, so hat der Nacherbe mit dem Nacherbfall (§ 2139 BGB) einen Anspruch auf Ersatz der erlittenen Substanzverluste, da die Herausgabe (§ 2130 BGB) der verbrauchten oder sonst verwendeten Gegenstände unmöglich ist, beispielsweise bei Geld oder anderen verbrauchbaren Sachen (§ 92 BGB) oder bei Verbindung, Vermischung und Verarbeitung (§§ 946, 948, 950 BGB). Wird allerdings bei einer Verfügung über die Nachlasssubstanz ein Surrogat (§ 2111 BGB) Bestandteil der Erbschaft (§ 2100 BGB), entsteht dem Nacherben i.d.R. kein Nachteil, so dass § 2134 BGB hinter § 2111 BGB zurücktritt. Die Höhe des Wertersatzes bestimmt sich nach dem objektiven Wert im Zeitpunkt der Vornahme der eigennützigen Verwendung (§ 2134 S. 1 BGB). Bei Verschulden (§§ 249 ff., 280 BGB) haftet der Vorerbe darüber hinaus auf Schadensersatz, beispielsweise für eine zwischenzeitliche Wertsteigerung (§ 2134 S. 2 BGB).
Rz. 52
Bei Verletzung der Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung ist der Vorerbe dem Nacherben zum Schadensersatz verpflichtet. Der Schadensersatzanspruch des Nacherben entsteht mit dem Nacherbfall, davor kann der Nacherbe nur nach den §§ 2127–2129 BGB vorgehen. Der Vorerbe hat nach dem subjektiven Haftungsmaßstab der für ihn eigenen üblichen Sorgfalt (vgl. §§ 276, 277, 690, 708, 1359, 1664 BGB) für die Erhaltung des Nachlasses nach seiner Wertsubstanz einzustehen (§ 2131 BGB). Die Haftung für grobe Fahrlässigkeit bleibt unberührt (vgl. § 277 BGB). Für absichtliche Benachteiligung haftet der Vorerbe immer (§ 2138 Abs. 2 BGB). Am Ende der Vorerbschaft trifft den Vorerben die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung (§§ 2130 Abs. 2, 259 BGB), sofern ihn der Erblasser davon nicht befreit hat (§ 2136 BGB).