Rz. 61

Grds. richtet sich das Vorliegen eines Härtegrundes nach denselben Kriterien wie beim Ausgleich bei der Scheidung: Maßgebend ist, ob der Ausgleich ganz oder teilweise grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen (§ 27 Satz 2 VersAusglG).

 

Rz. 62

Besonders relevant für den schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung wird auch in Zukunft der Gedanke des § 1587h Nr. 1 BGB a.F. sein. Die anderen in § 1587h BGB a.F. genannten Gründe (Bewirken des Wegfalls von Anrechten, gröbliche länger dauernde Unterhaltspflichtverletzung) können auch für den Ausgleich bei der Scheidung relevant sein und wurden deswegen im Zusammenhang mit diesem bereits erörtert (siehe oben § 8 Rdn 191 ff.). Nach dieser Regelung bestand bisher ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht, soweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten konnte und die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeutet hätte. Daraus wird man ableiten können, dass auch künftig der Ausgleich nach der Scheidung jedenfalls dann ausgeschlossen sein soll, wenn der angemessene Unterhalt des Ausgleichsberechtigten gesichert ist, die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten jedoch eine unbillige Härte darstellen würde.[19] Den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten ist also ein besonderes Gewicht beizumessen. Nähme man einem Ehegatten im Versorgungsausgleich nach der Scheidung das weg, was er selbst zum Leben bräuchte, würde der Sinn des Versorgungsausgleichs verfehlt, beiden Ehegatten nach der Scheidung eine Versorgung zu ermöglichen, indem das gemeinsam erwirtschaftete Anrecht aufgeteilt wird. Der Sinn dieses Ausgleichs liegt nicht darin, dass einer der Ehegatten weit mehr an Versorgung hat als der andere, der wegen des ihm obliegenden Ausgleichs darauf verwiesen ist, seinen Lebensbedarf durch die Inanspruchnahme von Unterhalt oder sogar ergänzenden Sozialleistungen zu stillen.

 

Rz. 63

Voraussetzungen für die Annahme der groben Unbilligkeit des Ausgleichs sind in solchen Situationen

dass der Ausgleichsberechtigte seinen angemessenen Unterhalt im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit auch ohne die (volle) Ausgleichsrente bestreiten könnte und
dass der Ausgleichspflichtige in so beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, dass er bei Durchführung des Ausgleichs bei der Scheidung seinen angemessenen Lebensbedarf nicht mehr selbst stillen könnte.
 

Rz. 64

Ob der Ausgleichsberechtigte seinen angemessenen Unterhalt im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit auch ohne die (volle) Ausgleichsrente bestreiten kann ist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der schuldrechtlichen Ausgleichsrente zu beurteilen. Es kommt also auf den Zeitpunkt an, in dem der Ausgleich nach der Scheidung geltend gemacht werden kann – den Zeitpunkt, in dem der Ausgleichspflichtige bereits seine Versorgung bezieht und in dem der Ausgleichsberechtigte jedenfalls die Voraussetzungen für den Leistungsbezug erfüllt (vgl. § 20 VersAusglG, siehe dazu Rdn 38 ff.). Alle Veränderungen nach der Scheidung bis zu diesem Zeitpunkt sind zu berücksichtigen, also etwa der Wegfall anderer Versorgungen oder sonstiger Einkommensquellen, aus denen der Lebensunterhalt im Alter bestritten werden sollte als Argument für die Angewiesenheit auf den Ausgleich nach der Scheidung ebenso wie das Hinzutreten anderer Einkommensquellen oder neuen Vermögens seit der Scheidung als Argument gegen die Durchführung des Ausgleichs nach der Scheidung (sofern auch aufseiten des Ausgleichspflichtigen die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen).

 

Rz. 65

Wegen des unterhaltsähnlichen Charakters des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs ist aber anzunehmen, dass der Beurteilungsmaßstab wird allerdings nach oben durch die (aktualisierten) ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1578 Abs. 1 BGB) begrenzt wird. Nachehelich eingetretene, nicht eheprägende Verbesserungen der Lebensverhältnisse aufseiten des Ausgleichsberechtigten dürfen deswegen nicht zur Begründung eines höheren angemessenen Unterhalts herangezogen werden. Ansonsten könnte es dazu kommen, dass der Ausgleichspflichtige zum Ausgleich nur deswegen herangezogen würde, weil sich nachehelich die Lebensverhältnisse des Ausgleichsberechtigten verbessert haben, während er selbst in so engen wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, dass er seinen eigenen Unterhaltsbedarf nicht oder kaum decken kann. Dieser Gedanke wurde auch im bisherigen Recht schon berücksichtigt;[20] dabei sollte es auch im neuen Versorgungsausgleich bleiben, weil sich die Struktur des Ausgleichs insoweit nicht geändert hat.[21]

 

Rz. 66

Auch i.Ü. sind für die Ermittlung des relevanten Einkommens und Vermögens unterhaltsrechtliche Grundsätze heranzuziehe...

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