Rz. 95

Die zweite Ausgleichsmöglichkeit im Wertausgleich nach der Scheidung ist in § 22 VersAusglG angeordnet. Die Norm ergänzt den Ausgleich nach § 20 VersAusglG für die Fälle, in denen das auszugleichende Anrecht nicht durch eine Rentenzahlung ausgeglichen werden kann.

1. Dem Ausgleich durch Zahlung eines Kapitalbetrags unterfallende Anrechte

 

Rz. 96

Notwendig ist der Ausgleich durch Zahlung eines Kapitalbetrags v.a. dann, wenn das auszugleichende Anrecht auf die Leistung eines einmalig oder in Raten zu zahlenden Kapitalbetrags gerichtet ist und trotzdem in den Versorgungsausgleich fällt. Nach der neuen Systematik des Versorgungsausgleichs betrifft das jedenfalls (und unstreitig) solche Anrechte, die der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen sind oder die Anrechte i.S.d. Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes sind; denn in diesen Fällen muss ein Ausgleich im Versorgungsausgleich unabhängig von der Leistungsform erfolgen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). In diesen Fällen kommt es deswegen für den schuldrechtlichen Ausgleich an sich auch nicht darauf an, ob ein Rentenanrecht nach dem Ehezeitende in ein auf Einmalleistung gerichtetes Anrecht umgewandelt worden ist. Schuldrechtlich auszugleichen ist in jedem Fall. In Fällen dieser Art bestehen deswegen Manipulationsmöglichkeiten nicht mehr, wie es sie im früheren Recht bei Anrechten mit Optionsmöglichkeiten gegeben hatte. Derartige Änderungen betreffen nicht mehr das Ob des Ausgleichs, sondern nur seine Art.

 

Rz. 97

Voraussetzung für den Ausgleich einer Kapitalzahlung ist aber nicht notwendigerweise, dass ein Fall des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG vorliegt. Zwar werden in erster Linie die betrieblichen Versorgungen und die Versorgungen i.S.d. AltZertG erfasst. In den Wertausgleich nach der Scheidung fallen diese Anrechte dann, wenn sie nicht ausgleichsreif bei der Scheidung sind. Zu denken ist v.a. an § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG (Verfallbarkeit bei der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung) oder an § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG (ausländische Anrechte). Der Wertausgleich nach der Scheidung findet statt, wenn diese Anrechte unverfallbar werden und aus ihnen Leistungen fließen, wenn also der zugesagte Kapitalbetrag an den Ausgleichspflichtigen geleistet wird (und die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 VersAusglG für die Fälligkeit des Anspruchs aufseiten des Ausgleichsberechtigten vorliegen).

 

Rz. 98

 

Hinweis

§ 22 VersAusglG ist aber auch auf sonstige Anrechte anwendbar, die bei der Scheidung zwar an sich den Versorgungsausgleich hätten einbezogen werden müssen, die aber nicht ausgleichsreif waren. Erfasst werden deswegen auch gerade die Fälle, in denen ein Anrecht ursprünglich auf eine Rentenzahlung gerichtet war (und wegen mangelnder Ausgleichsreife nicht bei der Scheidung ausgeglichen werden konnte), dann aber nach der Scheidung durch eine Umwandlung des Anrechts (Optionsausübungsfälle) in ein auf Einmalzahlung gerichtetes Anrecht umgewandelt wurde[42] oder wenn ein (im Wertausgleich nach der Scheidung an sich auszugleichendes) Anrecht durch Kündigung aufgelöst wird, sodass aus diesem Anrecht dann eine Rückzahlung der eingezahlten Beiträge und der bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Gewinne erfolgt.[43]

 

Rz. 99

 

Beispiel

M hat bei einer betrieblichen Altersversorgung ein Versorgungsanrecht, das auf eine monatliche Rentenzahlung von 200 EUR gerichtet ist und bei einer englischen Versicherung durchgeführt wird. Durch Ausübung eines Optionsrechts kann diese Versorgung so umgewandelt werden, dass statt einer Rentenzahlung einmalig ein Kapital von 50.000 EUR ausgezahlt wird. Die Option kann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeübt werden. Mit 55 Jahren wird M geschieden. Das Anrecht wird bei der Scheidung nicht ausgeglichen, weil es sich um ein ausländisches Anrecht handelt, das nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG nicht ausgleichsreif ist. Es wird daher in den Wertausgleich nach der Scheidung verwiesen. Mit 64 Jahren übt M sein Optionsrecht aus und wandelt die Versorgung in eine auf eine Einmalkapitalzahlung gerichtete Versorgung um. Dadurch fällt das als Ausgleichsrente im Versorgungsausgleich auszugleichende Anrecht weg. Wegen § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist aber der Wechsel in der Leistungsart in diesem Fall ohne Bedeutung, weil auch die auf Kapitalleistungen gerichteten betrieblichen Versorgungen in den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind. Auszugleichen ist aber jetzt nicht mehr durch Rentenzahlung, sondern durch Zahlung des Ausgleichswerts der Kapitalzahlung.

 

Rz. 100

 

Beispiel

M hat in der Ehezeit ein auf Rentenzahlung (200 EUR monatliche Rente) gerichtetes Anrecht bei einer englischen Lebensversicherung erworben. Als ausländisches Anrecht war dieses Anrecht bei der Scheidung nicht ausgleichsreif (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG). Zwei Jahre nach der Scheidung löst M die Lebensversicherung auf und lässt sich das Kapital auszahlen, das bis dahin eingezahlt und erwirtschaftet wurde. Seine Exfrau F erfährt das, als sie nach der Vollendung des 65. Lebensjahres beider ehemaligen Eheleute ihren Anteil an der Rent...

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