Rz. 30

Essenzielle Voraussetzung für die Durchführung eines Wertausgleichs nach der Scheidung ist, dass noch ein Ehezeitanteil besteht, welches noch nicht ausgeglichen ist (vgl. § 20 Abs. 1 VersAusglG). Der Wortlaut der Regelung ist sehr weit gefasst; er schießt über sein Ziel hinaus. Gemeint ist, dass es sich um einen Ehezeitanteil handelt, der bei der Scheidung noch nicht ausgeglichen werden konnte, weil er noch nicht ausgleichsreif war (vgl. § 19 VersAusglG, Einzelheiten siehe oben Rdn 10 ff., § 8 Rdn 87 ff.) oder das im Ausgleich bei der Scheidung nicht einbezogen werden sollte, weil die Eheleute es selbst durch Vereinbarung aus diesem Ausgleich ausgeschlossen haben (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG, Einzelheiten siehe oben Rdn 13 f., § 7 Rdn 20 ff.).

 

Rz. 31

Ob der fehlende Ausgleich ein Renten- oder ein auf eine Kapitalzahlung gerichtetes Anrecht betrifft, ist gleichgültig, denn § 22 VersAusglG bezieht auch auf Einmalleistungen gerichtete Versorgungen in den Wertausgleich nach der Scheidung ein. Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass das auf die Einmalleistung gerichtete Anrecht überhaupt in den Versorgungsausgleich einzubeziehen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn es sich bei dem auf die Einmalleistung gerichteten Anrecht um ein betriebliches Anrecht oder ein Anrecht i.S.d. AltZertG handelt (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG).

 

Rz. 32

Auch die Änderung eines Anrechts nach dem Ehezeitende von einem auf eine Rente in ein auf eine Einmalkapitalzahlung gerichtetes Anrecht hat dann keine Bedeutung, wenn es sich um ein betriebliches Anrecht oder ein Anrecht i.S.d. AltZertG handelt; denn in diesem Fall ist die Änderung der Leistungsform unbeachtlich, weil beide Leistungsformen im Versorgungsausgleich erfasst werden (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG). Ändert sich dagegen die Versorgungsform in anderen Fällen (z.B. bei privaten Anrechten, die nicht dem AltZertG unterfallen), fällt mit der Umwandlung der Leistungsform das im Versorgungsausgleich auszugleichende Anrecht weg; es kann deswegen auch im Wertausgleich nach der Scheidung nicht mehr ausgeglichen werden.

 

Rz. 33

 

Beispiel

M hat bei einer englischen Lebensversicherung ein Versorgungsanrecht, das auf eine monatliche Rentenzahlung von 200 EUR gerichtet ist. Durch Ausübung eines Optionsrechts kann diese Versorgung so umgewandelt werden, dass statt einer Rentenzahlung einmalig ein Kapital von 50.000 EUR ausgezahlt wird. Die Option kann bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ausgeübt werden. Mit 55 Jahren wird M geschieden. Das Anrecht wird bei der Scheidung nicht ausgeglichen, weil es sich um ein ausländisches Anrecht handelt, das nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG nicht ausgleichsreif ist. Es wird daher in den Wertausgleich nach der Scheidung verwiesen. Mit 64 Jahren übt M sein Optionsrecht aus und wandelt die Versorgung in eine auf eine Einmalkapitalzahlung gerichtete Versorgung um. Dadurch fällt das im Versorgungsausgleich auszugleichende Anrecht weg. Als seine Ex-Frau F den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich durchführen lassen will, als das Geld an M ausgezahlt wird als er 65 Jahre alt wird, muss sie daher feststellen, dass es nichts mehr auszugleichen gibt.

 

Rz. 34

Nicht im Wertausgleich nach der Scheidung ausgeglichen werden können dagegen andere Anrechte, die keine der genannten Voraussetzungen erfüllen. V.a. solche Anrechte, welche bei der Scheidung schlicht übersehen wurden, können auch nach der Scheidung nicht mehr ausgeglichen werden. Insoweit kommt allenfalls eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 48 Abs. 2 FamFG) in Bezug auf den Ausgleich bei der Scheidung in Betracht. Einzelheiten siehe oben Rdn 15 ff.

 

Rz. 35

Nicht erforderlich ist, dass der Wertausgleich des Anrechts, das nun im Wertausgleich nach der Scheidung ausgeglichen werden soll, bislang ausschließlich im Ausgleich bei der Scheidung unterblieben ist. Es schadet nicht, wenn nicht alle noch nicht bei der Scheidung nicht ausgeglichenen Anrechte nicht in einem einheitlichen Verfahren auf Wertausgleich nach der Scheidung ausgeglichen werden. Es kann vielmehr wegen der auch hinsichtlich der Antragsvoraussetzungen einzelanrechtsbezogenen Betrachtung durchaus vorkommen, dass nicht alle noch nicht ausgeglichenen Anrechte gleichzeitig ausgeglichen werden können.

 

Rz. 36

 

Beispiel

Bei der Scheidung konnten zwei ausländische Anrechte von M noch nicht ausgeglichen werden. Das eine Anrecht ist auf Leistungen gerichtet, die von der Vollendung des 65. Lebensjahres an gezahlt werden sollen, das andere Anrecht verlangt für den Leistungsbezug dagegen die Vollendung des 67. Lebensjahres. Da der Wertausgleich nach der Scheidung immer nur dann verlangt werden kann, wenn der Ausgleichspflichtige Leistungen aus dem auszugleichenden Anrecht bezieht, kommt hier ein effizienter Wertausgleich nach der Scheidung nur in der Weise in Betracht, dass jeweils nach Beginn des Leistungsbezugs ein entsprechender Antrag auf Wertausgleich nach der Scheidung gestellt wird.

 

Rz. 37

Ebenfalls nicht erforderlich ist, dass das FamG, das über den ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge