Rz. 15

Anrechte, die nicht unter einen der Tatbestände des § 19 VersAusglG fallen und die auch nicht von den Ehegatten durch Vereinbarung in den Wertausgleich nach der Scheidung verwiesen wurden (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG), sind nicht im Wertausgleich nach der Scheidung auszugleichen.[4] Der Ausgleich nach der Scheidung ist für die Korrektur von Fehlern, die im Verfahren des Ausgleichs bei der Scheidung begangen wurden, nicht gedacht und auch nicht geeignet. Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren bewusst nur in den bereits angesprochenen Fällen (siehe Rdn 11) eröffnet. Das lässt sich auch durch eine Analogie nicht korrigieren.

 

Rz. 16

Das führt zu erheblichen Schutzlücken in den Fällen, in denen derartige Anrechte im Wertausgleich bei der Scheidung vergessen wurden. Gemeint sind dabei aber nur solche Anrechte, die beim Wertausgleich bei der Scheidung an sich hätten ausgeglichen werden müssen, nicht solche, die in der Entscheidung über den Ausgleich bei der Scheidung nur nicht erwähnt sind, aber die ohnehin schuldrechtlich ausgeglichen werden müssen. Ein Verstoß gegen § 224 Abs. 4 FamFG schadet nicht, denn die Nennung in den Gründen der Entscheidung über den Ausgleich bei der Scheidung hat nur deklatorischen Charakter.

 

Rz. 17

 

Beispiel

Bei der Scheidung wurde ein auf eine Einmalzahlung gerichtetes Anrecht der betrieblichen Altersversorgung von M versehentlich nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen, sondern für ein im Zugewinnausgleich auszugleichendes Anrecht gehalten, wo es sich dann aber nicht auswirkte.

 

Rz. 18

Der Ausschluss dieser Anrechte aus dem Wertausgleich nach der Scheidung führt dazu, dass diese Anrechte gar nicht mehr ausgeglichen werden.[5] Systematisch ist der Ausschluss aus dem Wertausgleich nach der Scheidung richtig; denn der Fehler liegt in diesem Fall bei dem Wertausgleich bei der Scheidung, sodass die, diesen betreffende Entscheidung korrigiert werden müsste. Das ist aber nach dem neuen Versorgungsausgleichsrecht nicht mehr möglich, denn die Abänderung der Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung (§ 225 FamFG) ist in diesen Fällen ausgeschlossen: Eine Abänderung ist nur dann möglich, wenn einer der Abänderungsfälle vorliegt (§ 225 FamFG bei Titeln zum neuen Recht, § 51 VersAusglG bei Titeln zum alten Recht). Das setzt eine Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände nach dem Ende der Ehezeit voraus (vgl. § 225 Abs. 1 FamFG, siehe dazu § 12 Rdn 24 ff.). Diese Voraussetzung ist in den einschlägigen Fällen nicht erfüllt, weil die Anrechte zum Ehezeitende schon vorlagen und nur im Verfahren vergessen wurde, sie in das Versorgungsausgleichsverfahren einzubeziehen. Es handelt sich um einen im neuen Abänderungsverfahren nicht mehr korrigierbaren Rechtsanwendungsfehler. Für private Anrechte (wie in dem Beispiel) ist zudem zu beachten, dass § 225 FamFG die Abänderung nur in denjenigen Fällen eröffnet, in denen ein Anrecht aus einem Regelsicherungssystem betroffen ist, sodass hier eine Abänderung ohnehin immer ausgeschlossen ist. Die Rechtslage hat sich im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand erheblich verändert.

 

Rz. 19

Anzunehmen, dass eine Entscheidung über den Versorgungsausgleich in diesen Fällen über das betroffene Anrecht noch gar nicht getroffen worden sei, sodass es möglich sein muss, die ergänzende Entscheidung über den Ausgleich dieses Anrechts noch durchzuführen, ist ebenfalls nicht möglich. Das Verfahren in der Versorgungsausgleichsrechtssache betrifft zwar verschiedene Anrechte, bildet aber ein einheitliches Verfahren mit einer einheitlichen Endentscheidung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das FamG ausdrücklich eine Teilentscheidung getroffen hat[6] – was aber in den gerade besprochenen Fällen gerade nicht zutrifft. Ist diese Entscheidung rechtskräftig geworden, kommt ihre Änderung außer in den speziellen Abänderungsfällen deswegen nicht mehr in Betracht. Die Entscheidung über den Ausgleich des bei der Scheidung vergessenen Anrechts kann deswegen auch nicht als "Ergänzung" der Entscheidung über den Ausgleich bei der Scheidung nachgeholt werden.

 

Rz. 20

In Betracht kommt allein eine Wiederaufnahme des Verfahrens über den Ausgleich bei der Scheidung, wenn ein vorsätzliches Verschweigen des Anrechts vorliegt (§ 48 Abs. 2 FamFG, §§ 579, 580 ZPO). Daran wird es aber ebenso in vielen Fällen fehlen, weil das voraussetzt, dass der Schweigende die Einbeziehung dieses Anrechts in den Versorgungsausgleich zumindest für möglich hielt. Das wird aber oft in den Fällen nicht zutreffen, in denen ein Anrecht versehentlich dem güterrechtlich auszugleichenden Bereich zugeordnet wurde. Zudem ist die Frist des § 586 ZPO beachten.

[4] BGH FamRZ 2013, 1548; OLG Nürnberg FamRZ 2013, 1583; OLG Oldenburg FamRZ 2013, 1042; zur vorausgegangenen Diskussion vgl. Borth, FamRZ 2012, 337; Holzwarth, FamRZ 2012, 1101; Götsche, FamRB 2012, 122.
[5] PWW/Müller-Tegethoff/Reimers, § 20 VersAusglG Rn 8; Borth, Rn 682 f.
[6] BGH FamRZ 1988, 276 zum bisherigen Recht; Borth, Rn 682.

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