Rz. 38

Grundlegende Voraussetzung für den Wertausgleich nach der Scheidung ist, dass der Ausgleichspflichtige aus dem im Wertausgleich bei der Scheidung noch nicht ausgeglichenen Anrecht laufende Leistungen bezieht (§ 20 Abs. 1 VersAusglG). Durch diese Voraussetzung werden bloße Anwartschaften aus dem Ausgleich ausgeschlossen.[10] Welcher Art die aus dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht bezogenen Leistungen sind, ist dabei ohne Belang. V.a. ist es nicht erforderlich, dass gerade Leistungen der Altersversorgung bezogen werden. Ausreichend ist auch (bei beide Risiken abdeckenden Versorgungen), dass Leistungen der Invaliditätssicherung bezogen werden, auch wenn es dem Ausgleichsberechtigten nur darum geht, eine Leistung zur Altersversorgung zu erlangen. Ebenso wenig ist bei dem Bezug einer Altersversorgung von Bedeutung, ob es sich um eine Altersversorgung wegen Erreichens der Regelaltersgrenze oder wegen des Erreichens einer vorgezogenen Altersgrenze handelt.

 

Rz. 39

Trotz der Bezugnahme auf die laufenden Leistungen in § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ist klar, dass auch auf Einmalkapitalleistungen gerichtete Anrechte erfasst werden, denn § 22 VersAusglG erklärt die Grundsätze des § 20 VersAusglG auf die Fälle für anwendbar, in denen der Ausgleichspflichtige Kapitalzahlungen aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht erhält (welches aber trotzdem dem Versorgungsausgleich unterliegt). Durchgeführt werden kann der Ausgleich nach der Scheidung bei Einmalkapitalleistungen bzw. bei der mehrfachen Leistung auf einen Kapitalbetrag hin, sobald diese Leistungen an den Ausgleichspflichtigen erbracht werden.

 

Rz. 40

 

Beispiel

M hat eine betriebliche Altersversorgung, aus welcher ihm bei Vollendung des 65., des 70. und des 75. Lebensjahres jeweils die Zahlung von 20.000 EUR zugesagt sind. Seine Ex-Frau F kann "ihren" Teil an diesen Zahlungen verlangen, sobald diese geleistet werden; denn es wäre unbillig, bereits den Anspruch auf den Gesamtbetrag für gegeben zu erachten, wenn nur der erste Teil der Zahlungen erbracht wurde, weil in diesem Fall noch gar nicht feststeht, dass M auch die anderen Zahlungszeitpunkte erleben wird.

 

Rz. 41

Die Voraussetzung, dass der Ausgleichspflichtige Leistungen aus dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht beziehen muss, schließt umgekehrt den Wertausgleich nach der Scheidung für alle Fälle aus, in denen es nicht zu einem Leistungsbezug seitens des Ausgleichspflichtigen kommt. Worauf es beruht, dass der Ausgleichspflichtige aus dem Anrecht keine Leistungen bezieht, ist gleichgültig. Ursachen können sein:

Der Ausgleichspflichtige ist vor Beginn des Leistungsbezugs verstorben.
Der Ausgleichspflichtige erfüllt die Voraussetzungen für den Leistungsbezug noch nicht (z.B. weil er die relevante Altersgrenze noch nicht erreicht hat).
Der Ausgleichspflichtige stellt keinen Rentenantrag.[11] Sofern das nicht auf legitimen Motiven beruht (zu denen aber auch das Interesse des Ausgleichspflichtigen gehört, durch einen aufgeschobenen Rentenbezug später eine höhere Rente zu erlangen), können in solchen Fällen Schadensersatzansprüche gegen den Ausgleichspflichtigen aus § 826 BGB bestehen.
Das auszugleichende Anrecht existiert nicht mehr (z.B. weil der Ausgleichspflichtige es aufgelöst hat,[12] wegen Insolvenz des Versorgungsträgers). Auch in diesen Fällen kann ein Schadensersatzanspruch gegen den Ausgleichspflichtigen aus § 826 BGB gegeben sein.
[10] PWW/Müller-Tegethoff/Reimers, § 20 VersAusglG Rn 4.
[11] Hauß/Bührer, Rn 594.
[12] OLG Düsseldorf FamRZ 2014, 1201; In Betracht kommen können insoweit dann aber Schadensersatzansprüche wegen Vereitelung des schuldrechtlichen Ausgleichs; vgl. AG Böblingen FamRZ 2010, 1905; Borth, FamRZ 2010, 1906.

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