Rz. 57

Wie beim Ausgleich bei der Scheidung auch, ist schließlich noch zu prüfen, ob dem Ausgleich nach der Scheidung die Härteregelung des § 27 VersAusglG entgegensteht, d.h. ob der Ausgleich wegen grober Unbilligkeit ganz oder teilweise auszuschließen ist.

1. Systematik

 

Rz. 58

Anders als im bisherigen Recht, das mit § 1587h BGB a.F. eine eigene Härteregelung für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich hatte, ist die allgemeine Härteregelung anzuwenden, denn § 27 VersAusglG gilt nicht nur für den Wertausgleich bei der Scheidung, sondern auch für Ausgleichsansprüche nach der Scheidung.

 

Rz. 59

Mit der Zusammenfassung der Härteregelungen hat der Gesetzgeber keine Änderung der materiellen Rechtslage beabsichtigt. Die bisherige Auslegung des § 1587h BGB a.F. kann also als Anhaltspunkt für die Auslegung des § 27 VersAusglG gerade in Bezug auf seine Anwendung beim Ausgleich nach der Scheidung herangezogen werden (zu den Härtegründen im Allgemeinen und ihrer Behandlung siehe oben § 8 Rdn 151 ff.). Zu beachten ist außerdem, dass in vielen Fällen bei der Prüfung des Ausgleichs bei der Scheidung bereits die relevanten Härtegründe vorgelegen haben und geprüft worden sein werden, sodass die allgemein relevanten Gründe bereits zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt worden sein werden. Beim Ausgleich nach der Scheidung kommt es dann wie im früheren Recht nur darauf an, ob weitere Aspekte nun auch den schuldrechtlichen Ausgleich hindern. Sofern aber das Gericht wegen der Verweisung eines Anrechts in den schuldrechtlichen Ausgleich die Härteregelung bei der Scheidung noch nicht angewendet hat, sind diese Gründe nun beim Ausgleich nach der Scheidung zu berücksichtigen.

 

Rz. 60

Ob ein Grund ausreicht, um den Versorgungsausgleich nach der Scheidung auszuschließen, muss das FamG von Amts wegen entscheiden. Es darf sich aber darauf verlassen, dass die Beteiligten eventuelle Härtegründe von sich aus geltend machen werden; es braucht also ohne konkreten Anhaltspunkte nicht nachzuforschen, ob Härtegründe vorliegen.

2. Vorliegen eines Härtegrundes

 

Rz. 61

Grds. richtet sich das Vorliegen eines Härtegrundes nach denselben Kriterien wie beim Ausgleich bei der Scheidung: Maßgebend ist, ob der Ausgleich ganz oder teilweise grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen (§ 27 Satz 2 VersAusglG).

 

Rz. 62

Besonders relevant für den schuldrechtlichen Ausgleich nach der Scheidung wird auch in Zukunft der Gedanke des § 1587h Nr. 1 BGB a.F. sein. Die anderen in § 1587h BGB a.F. genannten Gründe (Bewirken des Wegfalls von Anrechten, gröbliche länger dauernde Unterhaltspflichtverletzung) können auch für den Ausgleich bei der Scheidung relevant sein und wurden deswegen im Zusammenhang mit diesem bereits erörtert (siehe oben § 8 Rdn 191 ff.). Nach dieser Regelung bestand bisher ein schuldrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht, soweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten konnte und die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeutet hätte. Daraus wird man ableiten können, dass auch künftig der Ausgleich nach der Scheidung jedenfalls dann ausgeschlossen sein soll, wenn der angemessene Unterhalt des Ausgleichsberechtigten gesichert ist, die Durchführung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten jedoch eine unbillige Härte darstellen würde.[19] Den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten ist also ein besonderes Gewicht beizumessen. Nähme man einem Ehegatten im Versorgungsausgleich nach der Scheidung das weg, was er selbst zum Leben bräuchte, würde der Sinn des Versorgungsausgleichs verfehlt, beiden Ehegatten nach der Scheidung eine Versorgung zu ermöglichen, indem das gemeinsam erwirtschaftete Anrecht aufgeteilt wird. Der Sinn dieses Ausgleichs liegt nicht darin, dass einer der Ehegatten weit mehr an Versorgung hat als der andere, der wegen des ihm obliegenden Ausgleichs darauf verwiesen ist, seinen Lebensbedarf durch die Inanspruchnahme von Unterhalt oder sogar ergänzenden Sozialleistungen zu stillen.

 

Rz. 63

Voraussetzungen für die Annahme der groben Unbilligkeit des Ausgleichs sind in solchen Situationen

dass der Ausgleichsberechtigte seinen angemessenen Unterhalt im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit auch ohne die (volle) Ausgleichsrente bestreiten könnte und
dass der Ausgleichspflichtige in so beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt, dass er bei Durchführung des Ausgleichs bei der Scheidung seinen angemessenen Lebensbedarf nicht mehr selbst stillen könnte.
 

Rz. 64

Ob der Ausgleichsberechtigte seinen angemessenen Unterhalt im Alter oder bei verminderter Erwerbsfähigkeit auch ohne die (volle) Ausgleichsrente bestreiten kann ist nach den wirtschaftlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit der schuldrechtlichen Ausgleichsrente zu beurteilen. Es kommt also auf de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge