Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Akteneinsichtsrecht des Verteidigers ist grundsätzlich unbeschränkt.
2. Auch der Betroffene hat einen Anspruch auf Akteneinsicht im Rahmen der gesetzlichen Versagungsgründe.
3. Der Verletzte erhält AE, wenn er ein berechtigtes Interesse an einer Einsicht darlegt.
4. Ein Dritter kann unter den Voraussetzungen des § 475 Abs. 13 StPO AE erhalten.
 

Rdn 231

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Rdn 144.

 

Rdn 232

1. Im vorbereitenden Verfahren muss der Verteidiger darauf achten, dass ihm so früh wie möglich AE gewährt wird. Je früher, desto besser (Burhoff, EV, Rn 555 m.w.N.).

 

Rdn 233

a) Zuständig für die Gewährung der AE ist die Verwaltungsbehörde, die das Verfahren durchführt, § 147 Abs. 5 S. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1, 2. Dies gilt auch dann, wenn die Ermittlungen noch bei der Polizei betrieben werden (Göhler/Seitz/Bauer, § 60 Rn 54). Es ist jedoch auch möglich, dass die Polizei selbst Verwaltungsbehörde i.S.v. § 35 – und insoweit entscheidungsbefugt – ist.

 

Rdn 234

Sind die Akten nach einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gem. § 69 Abs. 3 S. 1 an die StA übersandt worden, entscheidet nunmehr diese über die Gewährung von AE. Nach einer Übersendung der Akten an das AG ist dieses zuständig für die Entscheidung (Göhler/Seitz/Bauer, § 60 Rn 54).

 

Rdn 235

b)aa) Das AER des Verteidigers ist grds. unbeschränkt (KK/Kurz, § 60 Rn 98). Während laufender HV hat der Verteidiger das AER dann, wenn er erst im Verlauf der HV gewählt oder bestellt worden ist, wenn er ein besonderes Interesse an der Einsicht nachweisen kann oder wenn neue Ermittlungsergebnisse oder Urkunden zu den Akten gelangt sind (zuletzt für das Strafverfahren, BGH, Beschl. v. 10.5.2017 – 1 StR 145/17 m.w.N.). Ob der Verteidiger darüber hinaus verlangen kann, während laufender Verhandlung die Akten einzusehen, ist umstritten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 10; Burhoff, HV, Rn 381 ff.). Werden allerdings die Akten während einer Unterbrechung der HV vom Gericht nicht benötigt, so besteht kein Grund, dem Verteidiger AE nicht zu gewähren. Insoweit sieht § 147 StPO eine zeitliche Begrenzung nicht vor.

 

☆ Der Verteidiger hat keinen Anspruch auf Einsicht in das Sitzungsprotokoll einer über mehrere Tage dauernden HV, da dieses erst durch die abschließende Unterschrift des Vorsitzenden und des Protokollführers fertig gestellt ist (BGH NStZ 1981, 297). I.Ü. sollte sich ein Verteidiger dagegen wehren, als auswärtiger Verteidiger erstmals AE nur auf der Geschäftsstelle kurz vor dem HV zu bekommen (BayObLG NStZ 1991, 43). Das gilt natürlich erst recht für die Einsicht in Messunterlagen etc., die zur Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung – ggf. mit Hilfe eines SV – benötigt werden, weil eine solche Überprüfung (erst recht die Beauftragung eines Privatgutachters) am Tag der Hauptverhandlung erkennbar keinen Sinn mehr ergibt. Wird dem Verteidiger unter Zurückweisung eines Antrags auf rechtzeitige Einsicht derartiges vom Gericht angesonnen, so wahrt dies nicht den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren ( Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 6).keinen Anspruch auf Einsicht in das Sitzungsprotokoll einer über mehrere Tage dauernden HV, da dieses erst durch die abschließende Unterschrift des Vorsitzenden und des Protokollführers fertig gestellt ist (BGH NStZ 1981, 297). I.Ü. sollte sich ein Verteidiger dagegen wehren, als auswärtiger Verteidiger erstmals AE nur auf der Geschäftsstelle kurz vor dem HV zu bekommen (BayObLG NStZ 1991, 43). Das gilt natürlich erst recht für die Einsicht in Messunterlagen etc., die zur Überprüfung einer Geschwindigkeitsmessung – ggf. mit Hilfe eines SV – benötigt werden, weil eine solche Überprüfung (erst recht die Beauftragung eines Privatgutachters) am Tag der Hauptverhandlung erkennbar keinen Sinn mehr ergibt. Wird dem Verteidiger unter Zurückweisung eines Antrags auf rechtzeitige Einsicht derartiges vom Gericht angesonnen, so wahrt dies nicht den Anspruch des Betroffenen auf ein faires Verfahren (Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 6).

Wurde einem Verteidiger trotz Antrag ausreichende AE bis zur HV nicht gewährt, weshalb auch eine Vorbereitung der Hauptverhandlung nicht erfolgen konnte, muss er zunächst einen Antrag auf Terminsverlegung stellen. Weiterhin muss er – falls dies nicht den gewünschten Erfolg brachte – zu Beginn der HV einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stellen (vgl. Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 6 f.; dies. DAR 2018, 541, 543). Sollte er bei Gericht kein Gehör finden, ist je nach einzelner Fallkonstellation auch an einen Ablehnungsantrag zu denken. Wird der Aussetzungsantrag abgelehnt, so kann – nach Herbeiführung eines Gerichtsbeschlusses nach § 238 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 – mit der Rechtsbeschwerde die Verfahrensrüge auf § 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 gestützt werden (unzulässige Beschränkung der Verteidigung).

 

Rdn 236

Das AER kann im EV bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Verwaltungsbehörde den Abschluss der Ermittlungen gem. § 61 in der Akte vermer...

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