Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Inhaltlich kann sich das Gericht nach § 257c Abs. 1 S. 1. mit den Verfahrensbeteiligten über den weiteren Fortgang des Verfahrens und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. |
2. |
§ 257c Abs. 1 S. 2 weist ausdrücklich darauf hin, dass die Aufklärungspflicht des Gerichts, aus § 244 Abs. 2 "unberührt" bleibt. |
3. |
§ 257c Abs. 1 definiert nicht, was begrifflich unter einer "Verständigung" zu verstehen ist. |
4. |
In § 257c Abs. 2 ist im Einzelnen festgelegt, was Gegenstand einer Verständigung sein kann und was nicht. |
5. |
Nicht zugesagt werden darf vom Gericht eine bestimmte Punktstrafe. Umstr. ist i.Ü., ob nach § 257c Abs. 3 das Gericht zwingend auch einen Strafrahmen anzugeben hat oder ob die isolierte Angabe einer Strafober- oder Strafuntergrenze ausreicht. |
6. |
Nach § 257c Abs. 2 S. 1 kann auch das "Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten" Gegenstand einer Verständigung sein. Darunter fallen grds. auch Vereinbarungen über Beweiserhebung und Maßnahmen der StA. |
7. |
Nach § 257c Abs. 2 S. 2 soll Gegenstand jeder Verständigung ein Geständnis sein. |
8. |
§ 257c Abs. 2 S. 3 bestimmt, was Inhalt und was nicht Inhalt einer Verständigung sein kann. |
9. |
Rechtsprechungsübersicht zum zulässigen/nicht zulässigen Inhalt einer Verständigung. |
Rdn 233
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 198.
Rdn 234
1. Inhaltlich kann sich das Gericht nach § 257c Abs. 1 S. 1. mit den Verfahrensbeteiligten (→ Absprachen/Verständigung, Beteiligte, Teil A Rdn 219) über den weiteren Fortgang des Verfahrens und das Ergebnis des Verfahrens verständigen (zum Inhalt Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2628; zum Begriff "Verständigung" Teil A Rdn 237). Obwohl das Gesetz kumulativ formuliert, kann m.E. eine Absprache auch nur über den weiteren Fortgang des Verfahrens bzw. das Ergebnis des Verfahrens getroffen werden. Denn eine Verständigung über den "weiteren Fortgang des Verfahrens" muss nicht denknotwendig auch eine Verständigung über das "Ergebnis des Verfahrens" enthalten. Allerdings wird in der Praxis i.d.R. die Verständigung über den Fortgang mit der Verständigung über das Ergebnis zusammentreffen.
Rdn 235
2.a) § 257c Abs. 1 S. 2 weist ausdrücklich darauf hin, dass die → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 432, aus § 244 Abs. 2 "unberührt" bleibt (dazu auch BGH NStZ 2012, 465; 2014, 53 m. Anm. Burhoff StRR 2013, 384; NStZ 2014, 170; StV 2010, 60; 2012, 133, 2012, 653; 2013, 194; 2013, 703; StraFo 2010, 386; OLG Celle StV 2011, 341; krit. Fischer StraFo 2009, 177, 181, 186; Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 3; Fezer NStZ 2010, 177; Jahn StV 2011, 497, 504 m.w.N.; zust. Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2631). Hintergrund dieser Regelung ist, dass auch dann, wenn der Weg der Verständigung beschritten wird, die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts davon nicht betroffen sein soll/darf. Es soll nicht allein die Verständigung Grundlage des Urteils sein. Vielmehr soll/muss auch weiterhin die Überzeugung des Gerichts von dem von ihm im Urteil später festgestellten Sachverhalt als Urteilsgrundlage erforderlich sein (BT-Drucks. 16/12310, S. 13; auch BGH StV 2012, 653). Darauf hat im Verständigungsurteil v. 19.3.2013 auch das BVerfG ausdrücklich hingewiesen (NJW 2013, 1058, 1063; noch NStZ 2016, 422 und BVerfG, Beschl. v. 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20, NJW 2024, 1103) und dazu ausgeführt, dass allein ein verständigungsbasiertes Geständnis eine Verurteilung nicht rechtfertigen könne (s.a. BGH NStZ 2014, 53). Vielmehr sei es zwingend erforderlich, die geständige Einlassung des Angeklagten im Zuge einer förmlichen Beweisaufnahme auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (BVerfG NJW 2013, 1058, 1063; Beschl. v. 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20 NJW 2024, 1103; H. Schneider NStZ 2014, 192 ff. zu den sich daraus für die Praxis ergebenden Folgerungen; z.B. auch noch Erhard StV 2013, 655; [krit.] Fezer HRRS 2013, 117; Knauer NStZ 2013, 433; König NJW 2012, 1916; König/Harrendorf AnwBl. 2013, 321; Krawczyk/Schüler StRR 2014, 284; Leitmeier HRRS 2013, 365; a.A. Mosbacher NZWiSt 2013, 201; Schmitt StraFo 2012, 386, 387; Theile NStZ 2012, 666; Ziegert StraFo 2014, 228; Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 3; KK/Moldenhauer/Wenske, § 257c Rn 13). Das Gericht darf also (nach wie vor) nicht vorschnell auf eine Urteilsabsprache bzw. eine Verständigung ausweichen, ohne zuvor pflichtgemäß die Anklage tatsächlich anhand der Akten und insbesondere auch rechtlich überprüft zu haben (u.a. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2023 – 2 BvR 2103/20, NJW 2024, 1103; BGH NStZ 2014, 53; dazu schon BGHSt 50, 40; BGH NStZ 2004, 577, 578). Es darf also nicht etwa ohne nähere Überprüfung des Tatgeschehens eine bestimmte Sanktion zusagen (Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 4). Das gilt auch, wenn im Rahmen der Verständigung vom Angeklagten ein Geständnis abgelegt wird (zum Geständnis Teil A Rdn 250 ff.; zur → Aufklärungspflicht des Gerichts, Teil A Rdn 432, beim Geständnis BGH NStZ 2014, 170). Der Angeklagte kann auch nicht insgesamt darauf verzichten, ...