Das Wichtigste in Kürze:

1. Das Anhörungsrügengesetz hat für alle Verfahrensordnungen den außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge eingeführt.
2. Die Anwendung von § 356a StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 setzt voraus, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist.
3. § 356a StPO i.V.m. §§ 79 Abs. 3, 46 Abs. 1 ist ein eigener außerordentlicher Rechtsbehelf.
4. Für das Bußgeldverfahren ist noch § 79 Abs. 1 Nr. 5 von Bedeutung.
5. Für die Tätigkeiten im Hinblick auf eine Anhörungsrüge können keine zusätzlichen Gebühren nach dem RVG verlangt werden.
 

Rdn 325

 

Literaturhinweise:

auf der Heiden, Haftungsfallen der Anhörungsrüge, NJW 2023, 480

Beukelmann, Bedeutung von Anhörungsrüge nach § 356a und Gegenvorstellung, NJW-Spezial 2008, 344

Burhoff, Die wesentlichen Neuerungen des Anhörungsrügengesetzes für das Strafverfahren, PA 2005, 13

ders., Die Anhörungsrüge im Strafverfahren, ZAP F. 22, S. 409

ders., Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, StRR 2012, 172

ders., Die Abrechnung (förmlicher/formloser) Rechtsbehelfe im Straf- und Bußgeldverfahren, RVGreport 2013, 212

Desens, Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde und ihr Verhältnis zu fachgerichtlichen Anhörungsrügen, NJW 2006, 1243

Eschelbach, Anhörungsrügen im Strafprozess, ZAP F. 22, S. 605

Eschelbach/Geipel/Weiler, Anhörungsrügen, StV 2010, 325

Esser, Die Judikatur des EGMR im Strudel der Anhörungsrüge, NJW 2016, 604

Krumm, Das Anhörungsrügengesetz in der verkehrsrechtlichen Praxis, SVR 2005, 401

Lohse, Fünf Jahre Anhörungsrüge (§ 356a StPO) – kein Grund zum Feiern, StraFo 2011, 433

Meyer-Mews, Rechtsschutzgarantie und rechtliches Gehör im Strafverfahren, NJW 2004, 716

Mosbacher, Freiheit durch Säumnis: Keine Haftfortdauer bei Wiedereinsetzung, NJW 2005, 3110

Pohlreich, Zur Fristvorwirkung der Verfassungsbeschwerde im strafgerichtlichen Verfahren, StV 2011, 574

Schnabl, Rechtsmittelverzicht und Anhörungsrüge, AnwBl. 2008, 188

Vielmeier, Rechtswegerschöpfung bei verzögerter Anhörungsrüge, NJW 2013, 346

s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 und die weiteren Nachweise bei Burhoff/Kotz/Geipel, RM, Teil B Rn 2.

 

Rdn 326

1.a) Das am 1.1.2005 in Kraft getretene Anhörungsrügengesetz hat für alle Verfahrensordnungen den außerordentlichen Rechtsbehelf der Anhörungsrüge eingeführt (zu einer Bestandsaufnahme der [Neu-]Regelung Lohse StraFo 2010, 433 ff.). Das Gesetz geht zurück auf den Plenarbeschluss des BVerfG v. 30.4.2003 (NJW 2003, 1924), in dem das BVerfG die Möglichkeit fachgerichtlicher Abhilfe für den Fall gefordert hatte, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat (zum Gesetzesentwurf s. BT-Drucks 15/3966 und 15/3706). Im Bereich des Strafverfahrens hat das Anhörungsrügengesetz u.a. eine Änderung in § 33a StPO, der erweitert worden ist, gebracht (→ Nachholung des rechtlichen Gehörs, Rdn 2859; Burhoff, EV, Rn 3143 ff.). Außerdem wurde für das Revisionsverfahren § 356a StPO eingeführt (dazu Burhoff, HV, Rn 390 ff.; Burhoff/Kotz/Geipel, RM, Teil B Rn 1 ff.).

 

☆ Die Vorschrift des § 356a StPO gilt über § 46 Abs. 1 bzw. über § 79 Abs. 3 auch im OWi-Verfahren .auch im OWi-Verfahren.

 

Rdn 327

b) Die Anhörungsrüge schließt andere Rechtsbehelfe gegen eine Rechtsbeschwerdeentscheidung aus. Das gilt insbesondere auch für den Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs nach § 33a (BGH NJW 2009, 1092; NStZ 2007, 236; OLG Nürnberg NJW 2007, 1013; Pohlreich StV 2011, 9). Gegen Entscheidungen im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur die Anhörungsrüge nach den § 46 Abs. 1, § 356a StPO zulässig (OLG Jena zfs 2008, 233). Das gilt auch für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 346 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 (OLG Hamburg VRS 114, 371 = NStZ-RR 2008, 317; OLG Jena NJW 2008, 534). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann i.Ü. auch nicht mit einer Gegenvorstellung geltend gemacht werden (BGH NStZ-RR 2010, 116 = wistra 2010, 109). § 356a bezieht sich aber nur auf erstmalige entscheidungserhebliche Gehörsverstöße im Rechtsbeschwerdeverfahren (KK-Gericke, § 356a Rn. 2 f.; BGH, Beschl. v. 10.1.2023 – 3 StR 12/22, NStZ-RR 2023, 118). Die Anhörungsrüge dient nicht dazu, jenseits von Gehörsverstößen im Revisionsverfahren eine neuerliche revisionsrechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils zu bewirken (BGH, a.a.O.).

 

Rdn 328

Will der Verteidiger wegen der Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG Verfassungsbeschwerde einlegen, muss er, wenn diese nicht nach § 90 Abs. 2 BVerfGG mangels Ausschöpfung des Rechtsweges unzulässig sein soll, zunächst das Verfahren nach §§ 356a StPO; § 79 Abs. 3 durchführen (BVerfG NJW 2007, 2977; 2009, 2518; 2013, 3506 = StV 2014, 385 = StRR 2013, 460 m. Anm. Junker; Beschl. v. 8.5.2020 – 2 BvR 1905/19, StV 2020, 805 [Ls.]; NStZ-RR 2004, 372; BVerfGK 5, 337; StRR 2008, 202 [Ls.]; Beschl. v. 21.12.2021 – 2 BvR 2611/18; Beschl. v. 9.1.2023 – 2 BvR 2697/18, NStZ-RR 2023, 86 m.w.N.; KK- Schneider-Glockzin, § 33a Rn...

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