Detlef Burhoff, Michael Eggers
Rdn 341
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 226.
Rdn 342
1. AE muss dem Verteidiger u.U. mehrfach gewährt werden. Das gilt besonders dann, wenn nach der letzten AE der Akteninhalt umfangreicher geworden ist, weil weiter ermittelt wurde (OLG Hamburg NJW 1966, 843; OLG Hamm NJW 1972, 1096 f.; MDR 1975, 422). Das gilt auch für die Einsichtnahme in eine elektronische Akte (→ Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 395).
☆ Die erste AE wird mit der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG abgegolten, nachfolgende weitere AE dann mit der jeweiligen Verfahrensgebühr (dazu Burhoff/Volpert/ Burhoff , RVG, Nr. 4100 VV Rn 33 m.w.N.).erste AE wird mit der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG abgegolten, nachfolgende weitere AE dann mit der jeweiligen Verfahrensgebühr (dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 33 m.w.N.).
Rdn 343
Die mehrfache Gewährung von AE hängt nicht unbedingt von einem AE-Antrag des Verteidigers ab. Liegt die Dringlichkeit der AE durch den Verteidiger auf der Hand und sind die Akten nach einer bereits erfolgten AE um weitere Bestandteile ergänzt worden, müssen Gericht und StA dem Verteidiger die Akten ggf. von sich aus zuleiten (so wohl EGMR NJW 2002, 2015 [Schöps] für AE während Haftprüfungsverfahren; zust. Kempf StV 2001, 206 in der Anm. zu EGMR, a.a.O.; ähnlich BGH NStZ 2006, 115 f.; 2017, 459; StV 2001, 4; aber auch BGH NStZ 2014, 347 m. Anm. Krawczyk StRR 2014, 219, wonach sich der Verteidiger bei unzureichender Gewährung von AE um vollständige AE bemüht haben muss, wenn er die unzureichende AE später geltend machen will).
☆ Der Verteidiger darf aber nicht allein deshalb mehrfach AE (in eine Papierakte) beantragen, um dadurch das Verfahren zu verzögern (so zu Recht Bosbach u.a., Rn 144 m.w.N.). In den Fällen droht angesichts der sich verschärfenden Rspr. des BGH ggf. ein EV wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB; auch BGH StraFo 2011, 23; KG NStZ-RR 2016, 18 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 470; OLG Koblenz JR 1980, 477; Fischer , § 258 Rn 22; MüKo-StGB/ Cramer/Pascal , § 258 Rn 21).nicht allein deshalb mehrfach AE (in eine Papierakte) beantragen, um dadurch das Verfahren zu verzögern (so zu Recht Bosbach u.a., Rn 144 m.w.N.). In den Fällen droht angesichts der sich verschärfenden Rspr. des BGH ggf. ein EV wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB; auch BGH StraFo 2011, 23; KG NStZ-RR 2016, 18 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 470; OLG Koblenz JR 1980, 477; Fischer, § 258 Rn 22; MüKo-StGB/Cramer/Pascal, § 258 Rn 21).
Rdn 344
2.a) In der StPO ist nicht geregelt, wie lange dem Verteidiger AE zu gewähren ist (BGH wistra 2006, 25). Auch die Nr. 182 ff. RiStBV, die die AE (mit-)regeln, schweigen sich zu dieser Frage aus. In der Praxis werden die Akten häufig mit sehr kurzen Fristen für die Einsichtnahme, von manchmal nur ein bis drei Tagen, übersandt. Das ist i.d.R. nicht böser Wille der StA, sondern häufig darauf zurückzuführen, dass Verteidiger – in der Hoffnung, dann eher AE zu erhalten – selbst für diese kurzen Fristen AE beantragen und umgehende Rückgabe zusichern. Von einer solchen Praxis ist daher abzuraten.
Rdn 345
Die erforderliche Dauer der AE lässt sich nicht generell feststellen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das AER dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf rechtliches Gehör entspringt (Art. 103 Abs. 1 GG; s.u.a EGMR, Urt. v. 25.7.2019 – 1586/15, NJW 2020, 3019; BVerfG NJW 1965, 1171; 1994, 3219 m.w.N.; → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225), muss dem Verteidiger aber auf jeden Fall eine angemessene Frist zur AE gewährt werden. Der Verteidiger muss genügend Zeit haben/bekommen, um sich mit dem Akteninhalt vertraut zu machen. Wird ihm die nicht gewährt, ist so zu verfahren, als habe er keine AE gehabt (AG Halberstadt StV 2004, 549). Die konkrete Länge der AE bestimmen die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Umfang der Akten (BGH MDR 1955, 530 [He]; wistra 2006, 25). So wird in einer einfach gelagerten Diebstahlssache mit nur einem – möglicherweise sogar geständigen – Beschuldigten sicherlich eine Frist von nur einigen Tagen ausreichen, während in einer umfangreichen, sich über einen langen Tatzeitraum hinziehenden Betrugsserie mehrerer Beschuldigter, in der viele Zeugen vernommen worden sind, eine längere Frist zur AE gewährt werden muss.
☆ Das Problem stellt sich bei der Einsichtnahme in eine elektronische Akte nicht (mehr), da diese – eben anders als die Akte in Papierform – dem Verteidiger nicht übersandt, sondern zum Download im Internet bereitgestellt wird (→ Akteneinsicht, elektronische Akte , Teil A Rdn 395 ).elektronische Akte nicht (mehr), da diese – eben anders als die Akte in Papierform – dem Verteidiger nicht übersandt, sondern zum Download im Internet bereitgestellt wird (→ Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 395).
Rdn 346
b) Werden dem Verteidiger die Akten mit einer nach seiner Ansicht zu kurzen Frist zur Einsichtnahme übersandt, sollte er nicht von sich aus die gesetzte Frist zur Rückgabe der Akten überschreiten (Dahs, Rn ...