Detlef Burhoff, Michael Eggers
Rdn 414
Literaturhinweise:
Fetzer, Akteneinsicht und Datenschutz beim PC-Einsatz im Strafprozeß, DRiZ 1990, 48
ders., Einsichtsrecht des Strafverteidigers in gerichtliche Dateien, StV 1991, 142
Hilger, StVÄG 1999 und Verteidigung, in: Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag, 2002, S. 171
Meyer/Böhm, Strafprozessuale Probleme der Computerkriminalität, wistra 1992, 166
Nack, Die elektronische Ermittlungsakte, Krim 1995, 547
Schäfer, Der Computer im Strafverfahren, wistra 1989, 8
s.a. die Hinw. bei → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225.
Rdn 415
1. Die Generalklausel des § 483 gestattet es, personenbezogene Daten in Dateien zu speichern, zu verändern und zu nutzen, soweit dies für Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Zu denken ist hier z.B. an sog. Fall-/Tatdateien aber auch an die Auswertung beschlagnahmter Unterlagen in Dateien (zur Zulässigkeit BVerfG StV 2007, 226 [Ls.]). Davon wird insbesondere in umfangreichen Wirtschafts-, Steuer- und Missbrauchstrafverfahren Gebrauch gemacht, sodass diese kaum ohne Personalcomputer zu erledigen sind. Deshalb hat die Frage, wie die Einsicht in während der Ermittlungen angelegte Computerausdrucke, -dateien, -programme zu behandeln ist, erhebliche praktische Bedeutung. Bei dieser Frage ist folgendermaßen zu unterscheiden (s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 13, 18a):
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2. Handelt es sich um – von den Ermittlungsbehörden im EV – sichergestellte Dateien und Programme, unterliegen diese der AE. Sie sind entweder Beweisstücke oder als Computerausdrucke zu den Akten zu nehmen, sodass sie deren Bestandteil werden und daher vom Verteidiger in sie Einsicht genommen werden kann (OLG Koblenz, Beschl. v. 10.6.2010 – 2 VAs 1710 für den Ausdruck von Dateien von sichergestellten Rechnern und Mobiltelefonen; zur Abgrenzung LR-Lind, vor § 483 Rn 4 u. 17).
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Bei elektronisch gespeicherten Dateien auf Disketten/Festplatten, die von der StA dem Gericht übergeben bzw. überspielt werden, handelt es sich – auch wenn sie von der StA neu erstellt werden – dann um "Akten" i.S.d. § 147, wenn die Dateien verfahrensrelevante Vorgänge dokumentieren (z.B. Aufarbeitung des Prozessstoffes in Tabellen usw.; dazu BGH StV 2010, 228, 230 für zusammenfassende Inhaltsangaben und Kurzübersetzungen abgehörter Telefongespräche; auch Nack Krim 1995, 550, der schon damals keine grds. Bedenken hatte, dem Verteidiger eine elektronische Akte in Kopie zur Verfügung zu stellen). Diese Dateien sind dann wie Unterlagen aus Papier zu behandeln, sodass sie auf Verlangen dem Verteidiger zur Einsicht zur Verfügung zu stellen sind (BGH, a.a.O.; zu allem Fetzer DRiZ 1990, 48; ders. StV 1991, 142; aber Meyer/Böhm wistra 1992, 170, die unter Hinw. auf die Nähe zu den Handakten ein AER verneinen; Schäfer wistra 1989, 8; Bosbach u.a., Rn 103; nicht ganz eindeutig Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 18a). Entsprechendes dürfte immer dann gelten, wenn die auf der Diskette/Festplatte gespeicherte Datei an die Stelle von Vermerken u.a. tritt, die sonst gedruckt oder handgeschrieben in den Akten wären bzw. sein müssten (s.a. Schäfer NStZ 1984, 205; zur Frage der Erstattungsfähigkeit eines (vollständigen) Ausdrucks von digital zur Verfügung gestellten Akten → Akteneinsicht, Anfertigung eines Aktenauszugs, Teil A Rdn 240). Die Fragen werden sich mit zunehmender Verbreitung der elektronischen Akte im Strafverfahren relativieren (→ Akteneinsicht, elektronische Akte, Teil A Rdn 395).
☆ Verneint man ein AER, darf der Verteidiger sein, sich aus § 487 Abs. 2 ergebendes Auskunftsrecht nicht übersehen.Auskunftsrecht nicht übersehen.
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3. Ein AER besteht allerdings nicht für solche Daten/Dateien, die der ermittelnde StA oder eine seiner Hilfspersonen, z.B. in einem Wirtschaftsstrafverfahren, separat für seinen persönlichen Gebrauch auf einer Diskette oder Festplatte speichert, um sie dort zu bearbeiten. Sie sind wie Notizen/Handakten zu behandeln und unterliegen damit nicht der Einsicht durch den Verteidiger (Fetzer StV 1991, 143; Meyer/Böhm wistra 1992, 170; ähnlich BGH StV 2010, 228, 230, wenn es sich um (polizeiliche) (Arbeits)Vermerke zum Fortgang der Ermittlungen handelt). Auch Dateien i.S.d. §§ 483 ff., die keinen Bezug zu einem konkreten Verfahren haben, sind interne Hilfsmittel, hinsichtlich derer grds. ein AER nicht besteht (Meyer-Goßner/Schmitt, § 147 Rn 18a; Hilger, S. 179; zur Dateieinsicht § 487 Abs. 2). Handelt es sich aber um Falldateien oder Spurendokumentationsdateien, die zu den Akten genommen worden sind, handelt es sich nicht mehr um rein interne Hilfsmittel. Vielmehr werden verfahrensrelevante Vorgänge dokumentiert. In solche Dateien besteht dann ein AER (so auch Meyer-Goßner/Schmitt, § 487 Rn 2; KK/Gieg, § 487 Rn 3; zur Löschung von Dateien BVerfG StV 2007, 226 [Ls.]).
Siehe auch: → Akteneinsicht, Allgemeines, Teil A Rdn 225, m.w.N. und Antragsmuster, Teil A Rdn 239; → Akteneinsicht, Umfang, Teil A Rdn 483; → Telefonüberwachung, Verwertung der Erkenntnisse (in der Hauptverhandlung), Teil T Rdn 4553.