Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 554
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Ausschluss der Öffentlichkeit, Allgemeines, Teil A Rdn 520.
Rdn 555
1.a) Wird die HV von dem Ort, an dem sie (zunächst) stattgefunden hat oder an dem sie stattfinden sollte, an einen anderen Ort, ggf. sogar an einen außerhalb des Gerichtsgebäudes, verlegt, muss darauf in geeigneter Weise hingewiesen werden. Das geschieht regelmäßig durch einen Aushang am ursprünglichen Verhandlungsort/Sitzungssaal (BGH NStZ 1984, 470; a. BGH StV 2016, 621; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2008, 50 u. OLG Dresden StV 2009, 682 [für Wechsel des Sitzungssaales zur Inaugenscheinnahme eines Videobandes]; KK/Gericke, § 338 Rn 86), eines Aushangs am anderen Ort bedarf es nicht (BGH NStZ-RR 2006, 261 [Be]).
Rdn 556
Es kann aber auch genügen, Ort und Zeit in der HV bekannt zu geben, was besonders bei einer → Augenscheinseinnahme, Teil A Rdn 445, außerhalb des Gerichtsgebäudes angenommen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 169 GVG Rn 6 m.w.N.: aber OLG Celle VRR 2005, 193 und OLG Saarbrücken NStZ-RR 2008, 50 [nicht, wenn der genaue Ort der Augenscheinseinnahme in dem Gerichtsbeschluss nicht konkret genannt worden ist]). Die örtliche und zeitliche Bestimmung eines (ersten) Treffpunkts genügt auch dann, wenn sich Gericht und Zuhörer danach zu verschiedenen Stellen in der Umgebung dieses Treffpunkts begeben (BayObLG NStZ-RR 2001, 49, 51). Zur Beschreibung des Treffpunkts genügt nicht die pauschale Angabe "Tatörtlichkeit" (OLG Celle, a.a.O.; OLG Hamm StV 2002, 474). Ausreichend kann es aber sein, wenn bei "kleinen"/überschaubaren Gerichtsgebäuden sich mögliche Besucher ohne besondere Schwierigkeiten von dem (neuen) Ort der HV Kenntnis verschaffen können (OLG Koblenz NZV 2011, 266 m. Anm. Deutscher VRR 2011, 193; s. für ein großes unübersichtliches Gerichtsgebäude KG, Urt. v. 21.12.2022 – (3) 121 Ss 165/22 (67/22), StraFo 2022, 197, wonach ein Aushang im Eingangsbereich reichen soll). Die Vorschriften über die Öffentlichkeit der HV werden schließlich auch nicht dadurch verletzt, dass der Zeitpunkt der Fortsetzung der HV in demselben Saal des Gerichtsgebäudes, aber zu späterer Uhrzeit desselben Tages auf dem ausgehängten Terminsverzeichnis nicht vermerkt ist (OLG Hamm NStZ 2013, 64 m. Anm. Deutscher VRR 2012, 435).
☆ Ein Aushang ist grds. auch im Bußgeldverfahren erforderlich (OLG Hamm StV 2000, 659; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.), jedenfalls dann, wenn in dem Ortstermin nicht nur die Örtlichkeit in Augenschein genommen, sondern die HV mit Urteilsverkündung dort zum Abschluss gebracht wird (OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.2009 – 2 Ss OWi 828/08).Bußgeldverfahren erforderlich (OLG Hamm StV 2000, 659; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.), jedenfalls dann, wenn in dem Ortstermin nicht nur die Örtlichkeit in Augenschein genommen, sondern die HV mit Urteilsverkündung dort zum Abschluss gebracht wird (OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.2009 – 2 Ss OWi 828/08).
Rdn 557
b) Wird ein Hinweis nicht gegeben (zum Zeitpunkt BGH NStZ 1995, 221 [K]), können die Vorschriften über die Öffentlichkeit der Verhandlung verletzt und damit gem. § 338 Nr. 6 die Revision begründet sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Fehlen des Hinweises auf ein Verschulden des Gerichts zurückzuführen ist (zum Verschulden bei einer "spontan" durchgeführten HV OLG Schleswig, Beschl. v. 31.3.2022 – II OLG 115/22, StraFo 2022, 192) und nicht ausschließlich auf einem Verschulden nachgeordneter Beamter beruht (OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.2009 – 2 Ss OWi 828/08 [für OWi-Verfahren]; OLG Karlsruhe NZV 2004, 421 [insoweit nicht in NJW 2004, 1887]; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2008, 50). Zwar hat das Gericht denen gegenüber eine Aufsichtspflicht, deren Vernachlässigung als eigenes Verschulden des Gerichts angesehen wird (Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn 49 f. m.w.N.). Doch dürfen nach der Rspr. die Anforderungen an die Aufsichtspflicht nicht überspannt werden (BayObLG VRS 87, 139; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Dem Gericht ist ein Verschuldensvorwurf z.B. dann nicht zu machen, wenn es das Anbringen eines Hinweises veranlasst hat, der Hinweis aber nicht angebracht worden ist (BayObLG, a.a.O.). Etwas anderes gilt, wenn das Gericht Anhaltspunkte dafür hatte, dass die getroffenen Anweisungen nicht erfüllt werden würden. Bei auswärtiger Fortsetzung der HV führt die Aufsichtspflicht des Gerichts dazu, dass das Gericht sich selbst davon überzeugen muss, ob die Vorschriften über die Öffentlichkeit beachtet sind (LR-Franke, § 338 Rn 114 m.w.N.; OLG Hamm StV 2002, 474, 476; OLG Saarbrücken, a.a.O.). Es darf sich nicht nur darauf verlassen, dass eine einmal – vor längerer Zeit – gegebene Anweisung beachtet wird (OLG Saarbrücken, a.a.O.).
☆ Die Revision ist nur dann ausreichend i.S.v. § 344 Abs. 2 S. 2 begründet, wenn auch die Umstände vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass das Gericht den Verfahrensverstoß zu vertreten hat (BayObLG, a.a.O.), soweit dieser Vortrag möglich ist (OLG Hamm StV 2002, 474; zu weitgehend daher OLG Hamm, Beschl. v. 7.7.2009 – 2 Ss OWi 82...