Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Rdn 634
1. Nach § 222 Abs. 1 hat das Gericht bzw. die StA, wenn sie nach § 214 Abs. 3 unmittelbar geladen hat, die geladenen Zeugen und SV dem Angeklagten rechtzeitig vor der HV namhaft zu machen. Das Gleiche gilt für die Bekanntgabe von (neuen) Beweistatsachen, deren Bedeutung für das Verfahren vorher nicht erkennbar war. Bekanntzumachen sind sämtliche zur HV geladenen Zeugen, auch wenn sie bereits in der Anklageschrift aufgeführt sind (BGH StV 1982, 457; OLG Hamm NJW 1996, 534 m.w.N. [für das Bußgeldverfahren]). Sinn und Zweck des § 222 ist es, dem Angeklagten zu ermöglichen, die Glaubwürdigkeit und die sachliche Zuverlässigkeit der Aussage der Beweispersonen zu prüfen und etwaige Gegenbeweise anzubieten.
☆ § 246 Abs. 2–4 gelten entsprechend für sachliche Beweismittel , deren Vorhandensein den Beteiligten nicht rechtzeitig zur Kenntnis gebracht worden ist (OLG Hamm MDR 1975, 422). Er gilt i.Ü. nicht nur für die StA, sondern z.B. auch, wenn die Nebenklage Zeugen stellt . Mitangeklagte können ggf. – bei entsprechender Prozesssituation – einen Aussetzungsantrag auf § 265 Abs. 4 stützen.sachliche Beweismittel, deren Vorhandensein den Beteiligten nicht rechtzeitig zur Kenntnis gebracht worden ist (OLG Hamm MDR 1975, 422). Er gilt i.Ü. nicht nur für die StA, sondern z.B. auch, wenn die Nebenklage Zeugen "stellt". Mitangeklagte können ggf. – bei entsprechender Prozesssituation – einen Aussetzungsantrag auf § 265 Abs. 4 stützen.
Rdn 635
2.a) Ist die Namhaftmachung oder Bekanntgabe verspätet erfolgt, kann der Angeklagte nach § 246 Abs. 2–4 einen Aussetzungsantrag stellen. Verspätete Bekanntgabe liegt auch vor, wenn die Erheblichkeit der Tatsache für das Verfahren erst nachträglich ersichtlich wird. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung und aus der Tatsache, dass § 246 Abs. 2–4 eine zeitliche Begrenzung nicht enthält, folgt:
Rdn 636
Es empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:
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Der Verteidiger sollte, bevor er einen Aussetzungsantrag stellt, eine Pause/kurzfristige → Unterbrechung der Hauptverhandlung, Teil U Rdn 3222, beantragen, um mit dem Angeklagten die neue Prozesslage besprechen zu können. |
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Dazu sollte er darauf drängen, dass von dem anderen Verfahrensbeteiligten, i.d.R. die StA, ein konkreter Beweisantrag gestellt wird. Denn nur die genaue Kenntnis des Beweisthemas ermöglicht ihm eine sachgerechte Beratung des Mandanten. Allerdings kann das Gericht das "neue" Beweismittel im Rahmen seiner sich aus § 244 Abs. 2 ergebenden Aufklärungspflicht auch von Amts wegen berücksichtigen. |
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Ein ggf. in Erwägung gezogener Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 2 muss nicht vor Verwendung des Beweismittels oder sogleich nach dem Vorbringen der neuen Tatsache gestellt werden. Vielmehr kann der Verteidiger – so ausdrücklich der Wortlaut des § 246 Abs. 2 – bis zum → Schluss der Beweisaufnahme, Teil S Rdn 3003, warten, um die gesamte Beweislage bei der Frage berücksichtigen zu können, ob der Aussetzungsantrag überhaupt sinnvoll ist (Malek, Rn 175 f.). |
☆ Ein wirksamer Aussetzungsantrag liegt nicht vor, wenn der Verteidiger nur gegen die Verwendung des neuen Beweismittels protestiert ( Meyer-Goßner/Schmitt , § 246 Rn 3).nur gegen die Verwendung des neuen Beweismittels protestiert (Meyer-Goßner/Schmitt, § 246 Rn 3).
Rdn 637
b) Über den Aussetzungsantrag entscheidet nach freiem/pflichtgemäßem Ermessen das Gericht, nicht der Vorsitzende allein (BGH MDR 1984, 278 [H]; OLG Stuttgart NStZ 1990, 356). Das Gericht hat dabei einen großen Spielraum (KK/Krehl, § 246 Rn 7) und muss nur Umstände von verfahrensrechtlicher Bedeutung beachten (BGH NJW 1990, 1124; 1990, 1125). Entscheidendes Anknüpfungskriterium ist die Aussage selbst und das Aussageverhalten des Zeugen (BGH, a.a.O.; BGHSt 37, 1, 3). Daher ist für eine Aussetzung kein Raum, wenn die Beweisperson bereits bekannt war (BGH StV 1982, 457) oder Nachforschungen nach ihr offensichtlich nicht nötig sind (BGH MDR 1984, 278 [H]) oder allgemein keine Umstände erkennbar sind, die ein Aussetzungsverlangen als begründet erscheinen lassen (BGH NJW 1990, 1124 [Wohnort eines Zeugen]; 1990, 1125 [Wohnanschrift eines Zeugen]).
☆ Gegen die Versagung der Aussetzung kann mit der Revision nur vorgegangen werden, wenn in der HV ein Aussetzungsantrag gestellt, also der Schutzzweck des § 246 Abs. 2–4 in Anspruch genommen worden ist (KK/ Krehl , § 246 Rn 12). Da das Gericht über den Antrag nach freiem Ermessen entscheidet, empfiehlt es sich, den Aussetzungsantrag sorgfältig zu begründen und z.B. die Erkundigungen, die eingeholt werden sollen, mitzuteilen ( Malek , Rn 176).Revision nur vorgegangen werden, wenn in der HV ein Aussetzungsantrag gestellt, also der Schutzzweck des § 246 Abs. 2–4 in Anspruch genommen worden ist (KK/Krehl, § 246 Rn 12). Da das Gericht über den Antrag "nach freiem Ermessen" entscheidet, empfiehlt es sich, den Aussetzungsantrag sorgfältig zu begründen und z.B. die Erkundigungen, die eingeholt werden sollen, mitzuteilen (Malek, Rn 176).
Rdn 638
3. Anstelle einer Aussetzung kann durch den Vorsi...