Detlef Burhoff, Michael Eggers
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 hat ein Auskunftsverlangen betreffend Postsendungen eingeführt. |
2. |
Die Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsverlangen der Ermittlungsbehörden über Postsendungen ist in § 99 Abs. 2 ist enthalten. |
3. |
Für eine Auskunftsverlangen ist ebenso wie für die Postbeschlagnahme nach § 99 Abs. 1 kein besonderer Tatbestandskatalog und/oder eine Eingriffsschwelle vorgesehen. |
4. |
Der erforderliche Inhalt des Auskunftsverlangens ist in § 99 Abs. 2 S. 2 u. 3 bestimmt. |
5. |
Das Verfahren des Auskunftsverlangens ist ebenso wie das Verfahren bei der herkömmlichen Postbeschlagnahme in § 100. Auch für Rechtsmittel und BVV gelten dieselben Regeln wie bei der Postbeschlagnahme. |
Rdn 752
Literaturhinweise:
Burhoff, Fortentwicklung der StPO: Auskunftsverlangen, Telefonüberwachung, Vernehmungen und Revisionsbegründungsfrist und sonstige Änderungen, StRR 9/2022, 6
Weisser, Strafprozessuale Auskunftsersuchen über Postsendungen, wistra 2016, 387
ders., Auskunftsverlangen über Postsendungen nach § 99 Abs. 2 StPO – ein Überblick nach der Reform, NZWiSt 2021, 372
ders., Die Durchbrechung des Postgeheimnisses gem. § 39 PostG zum Zweck der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung – ein Überblick nach der Reform, wistra 2022, 500
s.a. die Hinw. bei → Beschlagnahme, Allgemeines, Teil B Rdn 880, bei → Postbeschlagnahme, Teil B Rdn 4039, bei → Rechtsmittel im Ermittlungsverfahren, Teil R Rdn 4123, und bei → Telefonüberwachung, Begriff, Teil T Rdn 4466.
Rdn 753
1.a) Bis zu den Änderungen durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 war in § 99 a.F. (nur) die → Postbeschlagnahme, Teil P Rdn 4038 ff., geregelt. Die richtet(e) sich nach § 99 S. 1 u. 2 a.F. allein darauf, den Postdienstleister zur Auslieferung von solchen Postsendungen (und Telegrammen) zu verpflichten, die sich im Zeitraum der Anordnung der Maßnahme in seinem Gewahrsam befinden. Diese können dann ggf. nach Maßgabe von § 100 geöffnet und nach Bewertung ihres Inhalts ggf. beschlagnahmt werden (wegen der Einzelh. → Postbeschlagnahme, Teil P Rdn 4038 ff.).
Rdn 754
Nach überwiegender Ansicht (u.a. BGH NJW 2017., 680; LR-Menges, § 99 Rn 29 ff.; KK/Greven, § 99 Rn 11; Meyer-Goßner/Schmitt, § 99 Rn 14; Weisser wistra 2016, 387, jew. m.w.N.) bestand daneben die Befugnis, als milderes Mittel zur physischen Beschlagnahme in einem eingeschränkten Umfang – vor allem betreffend die äußeren Merkmale einer Postsendung – Auskunft bei den Postdienstleistern über jene Sendungen zu verlangen, die sich in ihrem Gewahrsam befinden. Nachdem lange Zeit davon ausgegangen worden ist, dass sich dieser Auskunftsanspruch auch auf Postsendungen bezieht, die zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens der Strafverfolgungsbehörden bereits ausgeliefert worden waren (LR-Menges u. KK/Greven, jew. a.a.O.), hatte der BGH das inzwischen aber unter Hinweis darauf, dass gesetzliche Eingriffsbefugnisse dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenbestimmtheit und Normenklarheit genügen müssen und es zudem für eine analoge Anwendung des § 99 StPO a.F. an der erforderlichen Regelungslücke fehle, abgelehnt (u.a. BGH NJW 2017, 680).
Rdn 755
b) Diese (angebliche) "Lücke" ist durch die (Neu)Regelung in § 99 Abs. 2 "mit Blick auf das im Grundgesetz verankerte Gebot der effektiven Strafverfolgung" und unter Hinweis auf "ein unabweisbares Bedürfnis der Ermittlungsbehörden, zu Zwecken der Strafverfolgung nicht nur auf physisch bei den Postdienstleistern vorhandene Sendungen Zugriff erlangen zu können, sondern unter denselben Voraussetzungen auch im Umfang, wie bislang schon als Minusmaßnahme zur physischen Beschlagnahme anerkannt eine Auskunft über noch nicht oder nicht mehr vorhandene Sendung verlangen zu können" (BT-Drucks. 19/27654, S. 66), geschlossen werden (zur Kritik BRAK-Stellungnahme von November 2020, S. 7). Insbesondere für den Fall des Versandes von inkriminierten Gegenständen (z.B. Betäubungsmitteln, Waffen, Hehlerware usw.) über das besonders abgeschottete sog. Darknet, würden sich die Postdienstleister aus Ermittlersicht oftmals als entscheidende "Schnittstelle" von digitaler und analoger Welt darstellen, bei der sich Ermittlungsansätze zur Identifizierung von Tatverdächtigen ergeben, namentlich Informationen dazu, wann, wo und von wem ein Paket mit mutmaßlich illegalem Inhalt ausgeliefert wurde bzw. bereits (online) aufgegeben, aber vom Versender noch nicht beim Postdienstleister abgegeben wurde (BT-Drucks. 19/27654, S. 66).
☆ Dazu ist zunächst die amtliche Überschrift von § 99 um die neue Befugnis Auskunftsverlangen ergänzt worden.amtliche Überschrift von § 99 um die neue Befugnis "Auskunftsverlangen" ergänzt worden.
Sodann ist der frühere Wortlaut des § 99 S. 1 u. 2 a.F., welche die herkömmliche Postbeschlagnahme betrafen, zu § 99 Abs. 1 geworden. Die Regelungen sind unverändert geblieben. Insoweit wird auf → Postbeschlagnahme Teil P Rdn 4038 ff. verwiesen
Im neuen § 99 Abs. 2 ist dann das Auskunftsverlangen der Ermittlungsbehörden übe...