Detlef Burhoff, Michael Eggers
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 ist mit Wirkung vom 1.7.2021 § 163g in die StPO eingefügt worden. |
2. |
Die Befugnis zur Datenerhebung ist in § 163g Abs. 1 geregelt. Die Zulässigkeit des Einsatzes von AKLS ist nach § 163g Abs. 1 S. 1 im Wesentlichen von zwei Voraussetzungen abhängig. |
3. |
Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer automatischen Kennzeichenerfassung vor, besteht die Befugnis zur Erhebung der Kennzeichen von Kraftfahrzeugen und bestimmter abschließend genannter Daten. |
4. |
In § 163g Abs. 2 ist die Befugnis zum Abgleich der erhobenen Kennzeichen geregelt. Die schließt sich computergestützt unmittelbar an die Erhebung an. |
5. |
Die Anordnungskompetenz ist in § 163g Abs. 3 geregelt. Vorgesehen ist eine abgestufte Anordnungskompetenz. |
6. |
Die Anordnung der Maßnahme durch die StA ergeht nach § 163g Abs. 3 S. 1 schriftlich. Die Polizei kann ggf. mündlich anordnen. |
7. |
Nach § 163g Abs. 4 besteht die Pflicht zur unverzüglichen Beendigung der AKLS-Maßnahmen, wenn deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. |
8. |
Der Rechtsschutz richtet sich nach § 101 Abs. 7 S. 2. Ggf. können BVV in Betracht kommen. |
Rdn 846
Literaturhinweise:
Burhoff, "Fortentwicklung der StPO" – Änderungen in der StPO 2021, StraFo 2021, 398
Roggan, Der Einsatz von Automatischen Kennzeichnungssystemen (AKLS) zu fahndungszwecken, NStZ 2022, 19
s.a. die Hinw. bei → Rasterfahndung, Teil R Rdn 4098, bei → Rechtsmittel im Ermittlungsverfahren, Teil R Rdn 4122, und bei → Verdeckter Ermittler, Allgemeines, Teil V Rdn 4824.
Rdn 847
1.a) Durch das "Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a." v. 25.6.2021 ist mit Wirkung vom 1.7.2021 § 163g in die StPO eingefügt worden. Hierbei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Befugnis der Strafverfolgungsbehörden zur automatischen Kennzeichenerfassung im öffentlichen Verkehrsraum insbesondere zu Fahndungszwecken. Ausdrücklich geregelt ist der Fahndungseinsatz von Automatischen Kennzeichenlesesystemen (AKLS), die es erlauben, über einen bestimmten Zeitraum hinweg vor allem auf Fernstraßen sämtliche passierende Fahrzeuge abzulichten, deren amtliche Kennzeichen durch eine Software auszulesen und sie mit Kennzeichen von Kraftfahrzeugen abzugleichen, die auf den Beschuldigten oder seine Kontaktpersonen zugelassen sind bzw. von diesen Personen genutzt werden. Sinn und Zweck dieser Regelung soll es vor allem sein, die Möglichkeit der Fahndung nach Beschuldigten von Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erweitern und zu verbessern werden. Zugleich sollen die Rechte der Personen, die von derartigen Maßnahmen betroffen sind, durch die Kodifizierung klarer Anordnungs- und Verfahrensvoraussetzungen geschützt werden. Dabei hat man auf den Vorgaben, die das BVerfG zum Einsatz von AKLS zu präventiv-polizeilichen Zwecken formuliert hat (BVerfG, Beschl. v. 18.12.2018 – 1 BvR 142/15 u.a., NJW 2019, 827, aufgebaut und diese im Bereich des Strafverfahrensrechts umgesetzt.
Rdn 848
b) Insoweit bestand in der StPO nach Auffassung des Gesetzgebers bislang eine Regelungslücke. In anderen Bereichen staatlicher Kontrolltätigkeit wurde die automatische Kennzeichenerfassung hingegen bereits seit Längerem erfolgreich eingesetzt, so z.B. zur Durchsetzung der Mautpflicht (§§ 7, 9 BFStrMG) und seit 2019 auch zur Überprüfung der Einhaltung von Verkehrsbeschränkungen/-verboten zum Schutz vor Immissionen beziehungsweise Abgasen („Dieselfahrverbotszonen [§ 63c StVG]). Darüber hinaus war die automatische Kennzeichenerfassung zu Zwecken der anlassbezogen – teils als offene, teils als verdeckte Maßnahme – bereits in den Polizeigesetzen der Bundesländer zu Zwecken der Gefahrenabwehr vorgesehen (s. dazu §§ 27b, 34 BPolG, Art. 39 BayPAG], § 36a BbgPolG, § 19 HmbPolDVG, § 14a HSOG, § 43a SOG M-V, § 27b RPflPOG, § 184 Abs. 5 LVwGSH, § 32a NPOG, § 24c ASOG Bln, § 33 Abs. 7 ThPAG, § 58 SächsPDVG und § 22a PolG BW).
Rdn 849
Der Gesetzgeber hat die Einführung dieser spezialgesetzlichen Fahndungsregelung auch in der StPO als erforderlich angesehen, weil deren geltende Befugnisnormen in diesem Bereich den Einsatz von AKLS nur unzureichend rechtfertigen konnten und eine ausdrückliche, rechtssichere Regelung nach den Vorgaben des BVerfG geboten erscheine (wegen der Einzelh. BT-Drucks. 19/27654, S. 82 f.; zum Gesetzgebungsverfahren s. Voraufl. Rn 860 f.; zum alten Recht noch LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 22.7.2022 – 22 Qs 40/19, ZD 2023, 104).
Rdn 850
2. Die Befugnis zur Datenerhebung nach § 163g ist in § 163g Abs. 1 geregelt. Die Zulässigkeit des Einsatzes von AKLS ist nach § 163g Abs. 1 S. 1 im Wesentlichen von zwei Voraussetzungen abhängig, und zwar:
Rdn 851
a)aa) Vorliegen muss eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Obwohl es sich bei dieser Vorgabe um die zentrale Verhältnismäßigkeitsanforderung aus der Rspr. des BVerfG zum Einsatz von AKLS im Gefahrenabwehrrecht handelt, sagt das Gesetz anders als bei der TÜ, deren Zulässigkeit an das Vorliegen eines bestimmten (schweren) Tatbestandes geknüpft...