Das Wichtigste in Kürze:

1. Die gesetzliche Regelung sieht in ihrer zentralen Vorschrift des § 257c für das Hauptverfahren eine "Verständigung" vor. Die Vorschrift des § 257c wird in den §§ 160b, 202a, 212 für das EV und für den Bereich des gerichtlichen Verfahrens außerhalb der HV und durch § 257b für den Bereich während der HV durch sog. "kommunikative Elemente" der Erörterungen des Standes des Verfahrens flankiert.
2. Schon bald nach dem Inkrafttreten der Regelung hat die Verständigung in Karlsruhe beim BVerfG auf dem Prüfstand gestanden, das die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen grds. bestätigt hat.
3. Das gesetzliche System der Regelung der Absprachen/Verständigung im Strafverfahren und deren Grundsätze ist in den §§ 160b, 202a, 212, 257b, 257c normiert.
 

Rdn 203

 

Literaturhinweise:

S. die Hinw. bei → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 193.

 

Rdn 204

1.a) Die gesetzliche Regelung von Absprachen im Strafverfahren sieht in der zentralen Vorschrift des § 257c für das Hauptverfahren eine "Verständigung" vor. Die Vorschrift des § 257c wird in den §§ 160b, 202a, 212 für das EV und für den Bereich des gerichtlichen Verfahrens außerhalb der HV und in § 257b für den Bereich der HV durch sog. "kommunikative Elemente" der → Erörterungen des Standes des Verfahrens, Teil E Rdn 1827, flankiert. Diese dienen vor allem auch der Vorbereitung einer Verständigung nach § 257c (s. BT-Drucks 16/12310, S. 2; Jahn/Müller NJW 2009, 2625, 2627; Schlothauer/Weider StV 2009, 600, 606; N/Sch/W/Schlothauer, § 160b Rn 6 ff.; vgl. auch noch BGH NStZ 2012, 347). Dieses Regelungsgefüge macht deutlich, dass die eigentliche bindende "Verständigung" der HV vorbehalten ist, sie aber i.d.R. vorbereitet werden wird und vorbereitet werden muss, wozu die → Erörterungen des Standes des Verfahrens, Teil E Rdn 1827, dienen. Diese – im Gesetz und in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12310) allerdings nicht deutlich gemachte Sicht – entspricht der früheren Verfahrensweise der Praxis. An ihr hat die Rspr. des BGH nach Inkrafttreten der neuen Vorschriften auch festgehalten (→ Absprachen/­Verständigung, Verfahren, Allgemeines, Teil A Rdn 257). Hinzu kommt dann im Interesse der Transparenz noch die sog. Mitteilungspflicht (§ 243 Abs. 4 S. 1), nach der der Vorsitzende in der HV mitteilen muss, dass und welche Verständigungsgespräche geführt worden sind (→ Mitteilung über Erörterungen zur Verständigung, Teil M Rdn 2228).

 

Rdn 205

b) Festzuhalten ist danach: Die gesetzliche Regelung in § 257c stellt klar, dass die bindende (formelle) Absprache/Verständigung nur in der HV getroffen werden kann. Alle anderen Vereinbarungen/Verständigungen/Absprachen (aus dem EV) sind nur vorbereitende "Vereinbarungen"/Erörterungen, die an der Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 nicht teilhaben (vgl. u.a. BVerfG NJW 2013, 1058; BGH NStZ 2011, 107 m. Anm. Burhoff StRR 2010, 382; 2017, 56; StV 2011, 74; 2011, 645; 2011, 728). Das folgt allein schon daraus, dass zumindest an einer im Rahmen von → Erörterungen des Standes des Verfahrens, Teil E Rdn 1827, nach § 160b im EV zustande gekommenen vorbereitenden Vereinbarung das Gericht nicht beteiligt ist. Allerdings kann auch insoweit eine "informelle" Bindungswirkung entstehen (dazu → Ab­sprachen/Verständigung, Verfahren, Allgemeines, Teil A Rdn 257; Meyer-Goßner/Schmitt, § 160b Rn 9 ff.; a. noch BGHSt 52, 165). Auch kann ggf. ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens vorliegen (dazu aber BGH NStZ 2011, 107; Meyer HRRS 2011, 17 ff.; Jahn StV 2011, 497, 500 m.w.N.; vgl. noch Pauka/Armenat StraFo 2019, 5 zu BVV).

 

Rdn 206

2.a) Schon bald nach dem Inkrafttreten der Regelung am 4.9.2009 hat die Verständigung in Karlsruhe beim BVerfG auf dem Prüfstand gestanden. Sie hat dort die verfassungsrechtliche Überprüfung mit Mühe bzw. gerade eben noch über-/bestanden. Das BVerfG hat in seinem Urt. v. 19.3.2013 (NJW 2013, 1058 ff.) – wie teilweise formuliert worden ist – "Bewährung gegeben" (vgl. z.B. Beulke/Stoffer JZ 2013, 663). Hintergrund für die Bedenken und Kritik des BVerfG war sicherlich auch das von ihm eingeholte SV-Gutachten von Prof. Altenhain, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass sich die Praxis nur wenig/kaum an die gesetzlichen Vorgaben gehalten hat (BVerfG, a.a.O.; zur Zulässigkeit nach der EMRK EGMR NJW 2015, 1745).

 

☆ Die Entscheidung des BVerfG stellt eine Zäsur im Recht der Verständigung. Die bis dahin ergangene Rspr. muss daher sorgfältig daraufhin überprüft werden, ob sie nach dem Urt. v. 19.3.2013 noch und wenn ja, ggf. wie modifiziert, angewendet werden kann (zu der seit Inkrafttreten der (Neu)Regelung in den ersten Jahren bekannt gewordenen Rspr. vgl. die Übersichten von Bittmann NStZ-RR 2011, 102; Burhoff StRR 2011, 324; Jahn StV 2011, 497; zu ersten praktischen Erfahrungen mit der Neuregelung Nobis StRR 2012, 84 ff.; zur Anwendung der Entscheidung vom 19.3.2013 eingehend H. Schneider NStZ 2014, 192 ff.; ders ., NStZ 2014, 252 ff.).Zäsur im Recht der Verständigung. Die bis dahin ergangene Rspr. ...

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