Detlef Burhoff, Thomas Hillenbrand
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
§§ 202a, 212, 257b, 257c Abs. 1 erlauben die Verständigung in "geeigneten Fällen", ohne im Einzelnen auszuführen, was ein "geeigneter Fall" ist. |
2. |
Die Annahme eines geeigneten Falls wird in der Praxis von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen. |
3. |
Die allgemeinen Grundsätze sind auch auf Absprachen/Verständigungen im Stadium der HV anzuwenden. |
Rdn 221
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Absprachen/Verständigung, Allgemeines, Teil A Rdn 193.
Rdn 222
1.a) Die §§ 202a, 212, 257b, 257c Abs. 1 erlauben die Verständigung in "geeigneten Fällen", ohne im Einzelnen auszuführen, was ein "geeigneter Fall" ist. Meyer-Goßner/Schmitt (§ 257c Rn 6) geht davon aus, dass dieser Einschränkung nur wenig Bedeutung zukommt, da praktisch jeder Fall geeignet sei (zur Frage, ob Schwurgerichtsverfahren "geeignete Fälle" sind Jahn/Kett-Straub StV 2010, 271, 272).
☆ Eine Verständigung kann grds. auch in Jugendgerichtsverfahren und Bußgeldverfahren getroffen werden (→ Jugendgerichtsverfahren, Besonderheiten der Hauptverhandlung , Teil J Rdn 2134 ff.; → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeine Verfahrensgrundsätze , Teil B Rdn 1480 ; zum JGG-Verfahren Brocke StraFo 2013, 441; Knauer ZJJ 2010, 15; Beier , Zulässigkeit und Modalitäten von Verständigungen im Jugendstrafrecht; Meyer-Goßner/Schmitt , § 257c Rn 7; zum straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Fromm NZV 2010, 550; Krumm NZV 2011, 376).Jugendgerichtsverfahren und Bußgeldverfahren getroffen werden (→ Jugendgerichtsverfahren, Besonderheiten der Hauptverhandlung, Teil J Rdn 2134 ff.; → Bußgeldverfahren, Besonderheiten, Allgemeine Verfahrensgrundsätze, Teil B Rdn 1480; zum JGG-Verfahren Brocke StraFo 2013, 441; Knauer ZJJ 2010, 15; Beier, Zulässigkeit und Modalitäten von Verständigungen im Jugendstrafrecht; Meyer-Goßner/Schmitt, § 257c Rn 7; zum straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Fromm NZV 2010, 550; Krumm NZV 2011, 376).
Rdn 223
2.a)aa) Die Annahme eines geeigneten Falls wird in der Praxis von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen (BT-Drucks 16/12310, S. 14). Ob ein Verfahren für eine Verständigung geeignet ist, hat sich grds. danach zu richten, ob überhaupt ein Einvernehmen über den weiteren Fortgang des Verfahrens und das Ergebnis des Verfahrens möglich ist (zu Verständigungen in verkehrsrechtlichen Verfahren beim AG Deutscher VRR 2014, 410). Ist das nicht der Fall, scheidet eine Verständigung aus. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks 16/12310, S. 13) weist in dem Zusammenhang ausdrücklich auf die obergerichtliche Rspr. in BGHSt 50, 40 hin, die die vorschnelle Flucht in die Absprache verbietet. Das bedeutet, dass das Gericht immer prüfen muss, ob der Fall überhaupt für eine Verständigung geeignet ist.
Rdn 224
bb) Die StPO macht hinsichtlich der Verfahren, in denen eine Verständigung zustande kommen kann, keine Einschränkungen. In Betracht kommen wird eine Verständigung insbesondere in Verfahren mit (besonders) schwierigen und langwierigen Beweiserhebungen, aber auch in Verfahren, in denen ggf. das Nachtatverhalten des Angeklagten noch eine Rolle spielen könnte, er also z.B. an den Verletzten (erhebliche) Schadensersatzleistungen erbringen kann. Bei einem nicht geständigen Angeklagten wird eine Verständigung allenfalls in Ausnahmekonstellationen möglich sein (§ 257c Abs. 2 S. 2), weil in solchen Fällen sonst eine Beschränkung der Pflicht zur umfassenden Wahrheitsermittlung zu besorgen sein könnte (vgl. BVerfG NJW 2013, 1058, 1068; BGH NStZ 2013, 313). In dem Zusammenhang wird immer auch die Motivation der Verfahrensbeteiligten eine Rolle spielen: Aufseiten des Gerichts wird i.d.R. das Bestreben im Vordergrund stehen, zu einem raschen Ende des Verfahrens zu kommen. Angeklagter und Verteidiger werden sich durch die Mitwirkung an einer Verständigung, deren bedeutendster Teil ein Geständnis darstellt (→ Absprachen/Verständigung, Inhalt, Teil A Rdn 227 ff.), ein für den Angeklagten möglichst günstiges Ergebnis des Strafverfahrens erhoffen und darüber eine Verständigung treffen wollen. In Fällen, in denen das nicht möglich ist bzw. eine Verständigung nur einen unzulässigen Inhalt haben könnte (→ Absprachen/Verständigung, Inhalt, Teil A Rdn 227), handelt es sich nicht um einen "geeigneten Fall". Des Weiteren wird darauf zu achten sein, dass eine Verständigung nicht den Eindruck erwecken darf, der Angeklagte habe sich ein "mildes Urteil erkauft" (vgl. Fischer StraFo 2009, 177, 185).
Rdn 225
b) Der BGH hat inzwischen in einigen Entscheidungen zum "geeigneten Fall" Stellung genommen (zur Frage, ob Schwurgerichtsverfahren "geeignete Fälle" sind, Jahn/Kett-Straub StV 2010, 271, 272). So hat er (BGH StraFo 2011, 355) eine Verständigung unter Hinw. auf § 257c Abs. 2 S. 3 abgelehnt, wenn sich dem Gericht aufgrund der in der Anklageschrift enthaltenen Hinweise aufdrängen musste, den Angeklagten auf eine schwere psychische Erkrankung und die Frage der Schuldfähigkeit begutachten zu lassen. In einer weiteren Entscheidung hat der BG...