Leitsatz
Kernproblem des zu entscheidenden Falles war die Frage, inwieweit nachehelich eingetretene Einkommensminderungen bei der Bestimmung des Bedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu berücksichtigen sind, auch wenn sie durch das Hinzutreten eines weiteren Unterhaltsberechtigten verursacht werden. Es stellte sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, inwieweit die neuere Rechtsprechung des BGH Einfluss auf nachehelich eingetretene Einkommenssteigerungen nimmt.
Ferner ging es um die Frage einer zeitlichen Befristung des Aufstockungsunterhalts bei längerer Ehedauer, wenn der Ehegatte, der in der Ehe den Haushalt geführt und die Betreuung und Erziehung der gemeinsamen Kinder übernommen hatte, nach Scheitern der Ehe und Beendigung der Kindesbetreuung eine vor der Ehe ausgeübte berufliche Tätigkeit wieder aufgenommen und keine ehebezogenen Nachteile in seiner beruflichen Entwicklung erlitten hat. Problematisch war außerdem die Frage der Präklusion gem. § 323 Abs. 2 ZPO.
Sachverhalt
Die Parteien stritten um die Abänderung des nachehelichen Ehegattenunterhalts.
Sie hatten im Juli 1973 geheiratet. Aus ihrer Ehe waren zwei 1975 und 1977 geborene Söhne hervorgegangen. Nach der Trennung im Jahre 1984 wurde die Ehe mit Urteil vom 29.7.1986 geschieden. Die minderjährigen Kinder verblieben bei der Ehefrau in der früheren Ehewohnung.
Bei Zustellung des Ehescheidungsantrages verfügte der Beklagte über ein Vermögen von mehr als 1,1 Mio. DM, das überwiegend aus einer Erbschaft nach seiner Mutter stammte. Die Klägerin verfügte über Vermögenswerte von knapp 200.000,00 DM. Ein Zugewinnausgleich wurde nicht durchgeführt. Die Parteien übertrugen den Miteigentumsanteil des Beklagten an der als Ehewohnung genutzten Doppelhaushälfte auf die Klägerin. Im Gegenzug erhielt der Beklagte den Miteigentumsanteil der Klägerin an einem unbebauten Grundstück.
Mit Vergleich vom 26.6.1987 verpflichtete sich der Beklagte, an die Klägerin ab Juli 1987 nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 1.610,00 DM zu zahlen. Die Grundlagen des Vergleichs wurden genau formuliert.
Im Oktober 1987 heiratete der Beklagte erneut. Seine zweite Ehefrau war wegen der Erziehung ihres Sohnes aus erster Ehe nicht erwerbstätig, erzielte allerdings eine Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit in einem Kommunalparlament.
Die Klägerin hat im April 1990 eine Halbtagsbeschäftigung als kaufmännische Angestellte aufgenommen. Daraufhin änderten die Parteien die Unterhaltspflicht des Beklagten mit Vergleich vom 27.7.1990 ab. Der Beklagte verpflichtete sich, an die Klägerin ab Oktober 1990 monatlichen Unterhalt i.H.v. insgesamt 1.000,00 DM zu zahlen. Auch hierbei wurden die Vergleichsgrundlagen genau formuliert.
Ab April 1995 ging die Klägerin einer Vollzeitbeschäftigung nach. Daraufhin wurde die Unterhaltspflicht des Beklagten durch Urteil des OLG Hamm vom 19.9.1997 erneut herabgesetzt. Er wurde verurteilt, an die Klägerin zeitlich gestaffelten Unterhalt ab Januar 1998 i.H.v. zunächst 824,87 DM zu zahlen. Dabei wurde die Gehaltssteigerung des Beklagten wegen seiner Beförderung vom Oberstudienrat zum Studiendirektor nicht berücksichtigt. Die Steuervorteile des Beklagten in seiner neuen Ehe und der Ortszuschlag einschließlich der kinderbezogenen Bestandteile wurden in voller Höhe berücksichtigt. Auf den Unterhaltsbedarf der Klägerin wurde das eigene Einkommen in voller Höhe angerechnet. Ein Wohnvorteil blieb bei ihr unberücksichtigt.
Nach Änderung der Rechtsprechung zur Bewertung eines nachehelich erzielten Einkommens als Surrogat einer früheren Haushaltstätigkeit und Kindererziehung begehrte die Klägerin eine Erhöhung des geschuldeten Aufstockungsunterhalts für die Zeit ab April 2002. Der Beklagte verlangte mit seiner im November 2003 eingegangenen Abänderungswiderklage Herabsetzung des geschuldeten Unterhalts, weil nach neuerer Rechtsprechung weder der Splittingvorteil aus seiner neuen Ehe noch sein Familienzuschlag bei der Ermittlung des Unterhalts seiner geschiedenen Ehefrau zu berücksichtigen sei.
Das AG hat der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG der Klage in geringem Umfang stattgegeben und den Unterhaltsanspruch der Klägerin auf die Zeit bis Dezember 2006 befristet. Das Berufungsgericht hat für beide Parteien die Revision zugelassen. Gegen das Berufungsurteil richteten sich die Revision der Klägerin und die unselbständige Anschlussrevision des Beklagten.
Beide Rechtsmittel hatten - zeitlich gestaffelt - nur teilweise Erfolg und führten insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidung
Aus dem Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB leitete der BGH ab, dass nachehelich eintretende Einkommenssteigerungen des Unterhaltspflichtigen den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen i.S.d. § 1578 Abs. 1 BGB nur dann prägen, wenn ihnen eine Entwicklung zugrunde liegt, die aus der Sicht zum Zeitpunkt der Scheidung der Ehe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Ohne nähe...