Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob die langjährige voreheliche Betreuung gemeinsamer Kinder im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
Die Parteien hatten im Jahre 1996 geheiratet und waren seit Oktober 2003 rechtskräftig geschieden. Sie stritten über die Abänderung eines anlässlich der Ehescheidung geschlossenen Vergleichs über den nachehelichen Unterhalt, dessen Wegfall der Kläger ab Januar 2006 begehrte.
Aus der vorehelichen Beziehung der Parteien ging im April 1990 der erste Sohn hervor. Seit 1990/1991 lebten die Parteien zusammen. Im September 1991 wurde ein zweiter Sohn geboren. Im März 1996 schlossen die Parteien die Ehe.
Mit der Geburt des zweiten Kindes gab die Beklagte zugunsten der Betreuung der Kinder ihre Vollzeittätigkeit als Zahnärztin auf. Ab 1992 war sie nur noch teilzeitbeschäftigt. Außerdem war sie nebenberuflich als Gutachterin tätig und machte gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend.
Die Klägerin erhob Widerklage auf Erhöhung des an sie zu leistenden nachehelichen Unterhalts.
Das AG hat der Klage bis August 2006 teilweise stattgegeben, auf die Widerklage aber den Unterhalt ab September 2006 auf zuletzt laufend 432,00 EUR Elementarunterhalt und 108,00 EUR Altersvorsorgeunterhalt erhöht.
Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Unterhalt von September 2006 bis Dezember 2009 abweichend vom AG festgesetzt, es aber überwiegend bei der Erhöhung belassen. Ab 1.1.2010 hat das Berufungsgericht den Unterhalt wegfallen lassen.
Mit der Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter, den Unterhalt schon ab Januar 2006 entfallen zu lassen.
Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BGH hat die Entscheidung des OLG über die Befristung des Unterhaltsanspruchs bestätigt, jedoch betont, dass Einkommenseinbußen aus einer über mehrere Jahre praktizierten vorehelichen Kindesbetreuung keinen ehebedingten Nachteil darstellen, weil § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB nur darauf abstelle, inwieweit "durch die Ehe" Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten seien, für den eigenen Unterhalt zu sorgen.
Auch Nachteile gemäß § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB, die infolge der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes entstanden seien, bezögen sich auf "solche Nachteile", also durch die Ehe entstandenen Nachteile und zudem auf die Kindererziehung "während der Ehe". Auch wenn damit nicht ausgeschlossen sei, dass noch durch die nacheheliche Kinderbetreuung Nachteile entstehen oder vergrößert werden könnten, sei jedenfalls eine mehrere Jahre praktizierte voreheliche Kinderbetreuung davon nicht erfasst. Die spätere Eheschließung wirke auf die Zeit des vorherigen Zusammenlebens und die Betreuung gemeinschaftlicher Kinder vor der Eheschließung nicht zurück. Die Zeit der vorehelichen Kindesbetreuung könne auch nicht der Ehedauer zugeschlagen werden, da eine über den Unterhalt nach § 1615l BGB hinausgehende Rechtsposition erst durch die Eheschließung begründet werde. Diese wirke nicht auf den Beginn des Zusammenlebens oder die Zeit der Betreuung gemeinsamer Kinder zurück, so dass auch insoweit Zeiten der Kindesbetreuung und Erziehung vor Eheschließung keine Berücksichtigung finden könnten.
Die spätere Fortführung der vorehelich gewählten Rollenverteilung auch in der Ehe könne hingegen zu einem ehebedingten Nachteil führen.
Hinweis
Diese Entscheidung des BGH ist zu Recht auf erhebliche Kritik gestoßen, als die langjährige voreheliche Betreuung gemeinsamer Kinder bei der Billigkeitsabwägung des § 1578b BGB völlig außer Betracht gelassen worden ist. Hierzu fehlen jegliche Ausführungen des BGH wie zur gesamten Billigkeitsabwägung. In der Entscheidung ist letztendlich nur auf das Nichtvorliegen ehebedingter Nachteile abgestellt worden und darauf, dass sich daraus eine Unterhaltsbegrenzung ergebe. Eine umfassende Billigkeitsabwägung wäre jedoch notwendig gewesen, um festzustellen, ob ein fortdauernder Unterhalt aufgrund der ehelichen Lebensverhältnisse als unbillig anzusehen ist.
Die Aufzählung in § 1578b Abs. 1 S. 3 BGB ist nicht abschließend, so dass Zeiten der vorehelichen Kindesbetreuung bei der Billigkeitsabwägung mit zu berücksichtigen sein dürften.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 07.03.2012, XII ZR 25/10