Leitsatz
Aus der geschiedenen Ehe der Eltern war der Sohn L. hervorgegangen. Der Mutter war im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens die alleinige elterliche Sorge übertragen worden. Der Sohn lebte bei ihr und besuchte das Gymnasium. In der Schule wurde ein drahtloser Internetzugang im Wege eines Wireless Local Area Network (nachfolgend: WLAN) betrieben.
Der Vater vertrat die Auffassung, die von einem WLAN-Zugang ausgehende elektromagnetische Strahlung sei gesundheitsgefährdend. Er beabsichtigte deshalb, im Namen seines Sohnes ein Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht gegen die Schulbehörde zu führen, um ein Weiterbetreiben des WLAN-Zugangs in dessen Schule zu unterbinden.
Der Vater hat erstinstanzlich in der Hauptsache und im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst beantragt, die Zustimmung der Mutter zu einem entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ersetzen. Zuletzt beantragte er, der Kindesmutter das Recht der Gesundheitsfürsorge für den Sohn zu entziehen und auf ihn zu übertragen.
Das AG hat die Anträge des Kindesvaters zurückgewiesen. Hiergegen wandte er sich mit der Beschwerde sowohl gegen die Entscheidung in der Hauptsache als auch gegen die Zurückweisung seines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Seine Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Die sofortige Beschwerde im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde wegen Unanfechtbarkeit des Beschlusses des AG als unzulässig verworfen.
Im Hauptsacheverfahren hielt das OLG das Rechtsmittel für zulässig, jedoch in der Sache für unbegründet.
Das AG habe die Anträge des Vaters zu Recht zurückgewiesen.
Die im Ehescheidungsverfahren getroffene Sorgerechtsübertragung auf die Mutter sei nur dann abzuändern, wenn dies aus triftigen, das Kindeswohl nachhaltig berührenden Gründen erforderlich sei. Der Abänderungsgrund müsse so bedeutsam sein, dass er den Grundsatz der Kontinuität und die mit einer Abänderung verbundenen Umstände deutlich überwiege.
Eine Abänderung komme nicht bereits dann in Betracht, wenn der nicht mehr sorgeberechtigte Elternteil im Hinblick auf Teilbereiche der elterlichen Sorge anderer Auffassung sei als der sorgeberechtigte Elternteil.
Die Gestaltung des Besuchs einer Schule, in welcher drahtlose Internetzugänge eingesetzt würden, stelle kein kindeswohlgefährdendes Handeln dar, das eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung notwendig mache. WLAN sei eine Alltagstechnologie, die - ebenso wie Mobilfunk - mittlerweile weit verbreitet sei und bei Einhaltung der geltenden Grenzwerte keine gesundheitlichen Risiken verursache.
Zwar sei dem Antragsteller wegen noch nicht abschließend geklärter wissenschaftlicher Erkenntnisse zuzugestehen, dass seine Bedenken im Hinblick auf die gesundheitlichen Auswirkungen elektromagnetischer Strahlung nicht ganz fern liegend seien. Dennoch bleibe festzuhalten, dass den Schulen der Betrieb von drahtlosen Internetzugängen weiterhin gestattet sei und die Landesregierung die diesbezügliche Entscheidung den gemäß Schulgesetz berufenen Gremien überlasse.
Vor diesem Hintergrund sei die Entscheidung der allein sorgeberechtigten Mutter, den Betrieb eines WLAN-Zugangs in der Schule ihres Sohnes hinzunehmen, nicht zu beanstanden. Der nicht sorgeberechtigte Kindesvater werde akzeptieren müssen, dass sie seine tiefe Besorgnis nicht teile, sondern trotz der bestehenden Unsicherheit über die gesundheitlichen Folgen elektromagnetischer Strahlung davon ausgehe, dass die Risiken für ihren Sohn vertretbar seien.
Dies gelte umso mehr, als auch der fast 17-jährige Sohn anlässlich seiner persönlichen Anhörung erklärt habe, dass er selbst die Befürchtungen seines Vaters nicht teile. Anlässlich der Anhörung habe sich gezeigt, dass der Sohn die streitgegenständliche Thematik vollständig erfasst habe. Seiner Stellungnahme sei daher ein erhebliches Gewicht beizumessen.
Triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe für eine Übertragung des Rechts der Gesundheitsfürsorge auf den Kindesvater könnten daher nicht festgestellt werden.
Link zur Entscheidung
OLG Bremen, Beschluss vom 03.05.2010, 4 UF 27/10