1 Leitsatz

Der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung einer Abrechnung ist erfüllt, wenn der Verwalter eine den formellen Anforderungen im Wesentlichen genügende Abrechnung vorlegt. Der einzelne Wohnungseigentümer kann dann weder die Vorlage einer neuen Abrechnung noch die Berichtigung der vorgelegten Abrechnung verlangen, solange diese nicht in der Versammlung verworfen oder ein die Abrechnung bestätigender Beschluss nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist.

2 Normenkette

§ 28 Abs. 3 WEG a. F.

3 Das Problem

Das AG verurteilt Verwalter V auf die Klage von Wohnungseigentümer K, die Jahresgesamtabrechnung mit abgeleiteten Jahreseinzelabrechnungen für das Jahr 2015 zu erstellen. V legt daraufhin neue Abrechnungsentwürfe vor. Wohnungseigentümer K rügt, auch diese Abrechnungen seien nicht schlüssig und damit nicht genehmigungsfähig. Er stellt daher einen Antrag, gegen V ein Zwangsgeld zu verhängen. Das AG gibt dem Antrag statt. V habe die titulierten Verpflichtungen teilweise nicht erfüllt. Gegen den Zwangsgeldbeschluss wendet sich V.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Der vollstreckbare Anspruch sei in Bezug auf die Gesamtjahresabrechnung erfüllt. Denn der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Erstellung der Abrechnung sei erfüllt, wenn der Verwalter eine den formellen Anforderungen im Wesentlichen genügende Jahresabrechnung vorlege. Der Wohnungseigentümer könne dann nicht die Vorlage einer neuen oder die Berichtigung des vorgelegten Entwurfs verlangen, solange die vom Verwalter vorgelegte, den formellen Anforderungen im Wesentlichen genügende Jahresabrechnung nicht von der Mehrheit der Wohnungseigentümer in der Versammlung verworfen oder ein die Abrechnung bestätigender Eigentümerbeschluss nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden sei (Hinweis u. a. auf BayObLG, Beschluss v. 5.11.1987, BReg 2Z 112/87, OLG München, Beschluss v. 22.11.2006, 34 Wx 055/06 und Jennißen in Jennißen, WEG, 6. Auflage, § 28 Rz. 182 b). Es liege zunächst im Ermessen der Wohnungseigentümer, darüber zu beschließen, ob sie die vorgelegten Abrechnungen als formell und sachlich richtig ansehen wollen. Dieser Befugnis würde vorgegriffen bzw. diese würde entwertet werden, wenn ein einzelner Eigentümer bereits vor einer Beschlussfassung über die vom Verwalter vorgelegte Abrechnung diese vom Gericht – sei es auch nur inzident im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens – vollständig auf Mängel überprüfen lassen könnte. Etwas anderes gelte für die Einzelabrechnungen. In der Jahresabrechnung 2015 würden sonstige Einnahmen in Höhe von 4.268,40 EUR ausgewiesen, welche in den Einzelabrechnungen fehlten. Eine Erläuterung fehle. Spiegelbildlich gelte dies auch für die Ausgabenseite.

Hinweis

  1. Spannend ist, dass das Münchener Gericht meint, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfülle ihre Verpflichtung, abzurechnen, wenn sie eine "den formellen Anforderungen im Wesentlichen genügende Jahresabrechnung" vorlege. Es käme dann darauf an, ob sie die Wohnungseigentümer "ablehnten". Ich selbst halte diese Idee – gar im Rahmen der Zwangsvollstreckung – für wenig überzeugend. Denn eine Leistung ist erst dann erfüllt, wenn sie den Anforderungen entspricht. Das ist aber nur dann der Fall, wenn sie nicht nur formell, sondern auch materiell richtig ist. Dass die wohl h. M. diesen Ansatz ablehnt, hat mir nie eingeleuchtet und tut es auch heute nicht.
  2. Im aktuellen Recht läge der Fall im Übrigen auch aus anderen Gründen anders. Denn nach §§ 18 Abs. 1, 28 Abs. 2 Satz 2 WEG schuldet nicht mehr der Verwalter die Erstellung der Abrechnungen, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Liegt keine Abrechnung vor, müsste daher die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer auf Leistung verklagt werden, nicht der Verwalter. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte ihrerseits allerdings den Verwalter auf Leistung verklagen.
  3. Spannend wäre für die erste Klage die Zwangsvollstreckung. Denn es ist im Gesellschaftsrecht streitig, ob das Zwangsgeld gegen die Gesellschaft oder gegen ihr Organ vollstreckt wird (die Zwangshaft würde am Organ vollzogen werden). Ich selbst meine, es wäre zirkulär, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Zwangsgeld aufzuerlegen. Denn der Verwalter muss abrechnen. Ich habe mich daher in meiner Kommentierung dafür entschieden, dass das Zwangsgeld gegen den Verwalter zu vollstrecken wäre.

5 Entscheidung

LG München I, Beschluss v. 5.2.2020, 36 T 9951/19

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