Leitsatz
1. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL sowie Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der MWStSystRL sind dahin auszulegen, dass eine von einer Muttergesellschaft vorgenommene Veräußerung sämtlicher Aktien an einer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sowie der verbleibenden Beteiligung der Muttergesellschaft an einer beherrschten Gesellschaft, an der sie früher zu 100 % beteiligt war, denen die Muttergesellschaft mehrwertsteuerpflichtige Dienstleistungen erbracht hat, eine in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinien fallende wirtschaftliche Tätigkeit ist. Soweit jedoch die Aktienveräußerung der Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens eines Unternehmens i.S.v. Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL oder von Art. 19 Abs. 1 MWStSystRL gleichgestellt werden kann und sofern der betroffene Mitgliedstaat sich für die in diesen Bestimmungen vorgesehene Befugnis entschieden hat, stellt dieser Umsatz keine der Mehrwertsteuer unterliegende wirtschaftliche Tätigkeit dar.
2. Eine Aktienveräußerung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist von der Mehrwertsteuer gem. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MWStSystRL zu befreien.
3. Das Recht auf den Abzug der Vorsteuer auf Leistungen, die für Zwecke einer Aktienveräußerung erbracht wurden, besteht gem. Art. 17 Abs. 1 und 2 der 6. EG-RL sowie gem. Art. 168 MWStSystRL, wenn zwischen den mit den Eingangsleistungen verbundenen Ausgaben und der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, unter Berücksichtigung aller Umstände, unter denen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze getätigt wurden, festzustellen, ob die getätigten Ausgaben Eingang in den Preis der verkauften Aktien finden können oder allein zu den Kostenelementen der auf die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen entfallenden Umsätze gehören.
4. Der Umstand, dass die Aktienveräußerung sich in mehreren Schritten vollzieht, wirkt sich auf die Beantwortung der vorstehenden Fragen nicht aus.
Normenkette
Art. 2, 4, 17 der 6. EG-RL, § 2, § 1 Abs. 1a, § 15 UStG
Sachverhalt
Das Verfahren betraf die Frage, ob die Veräußerung von Anteilen an einer Tochtergesellschaft der Umsatzsteuer unterliegt, wenn die finanzielle Beteiligung an diesen mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft (durch steuerbare Leistungen wie z.B. die Erbringung von Verwaltungs-, Buchhaltungs- und EDV-Dienstleistungen) einhergeht, und ob die Vorsteuer für Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung abziehbar ist.
Entscheidung
Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen.
Das nationale Gericht muss zunächst feststellen, ob die Ausgaben für die Beratung – unmittelbar und direkt – mit den angesprochenen Aktienveräußerungen selbst oder mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit von SKF zusammenhängen. Dies hängt davon ab, ob die getätigten Ausgaben in den Preis der Aktien, die SKF zu veräußern beabsichtigt, Eingang finden oder ob sie nur zu den Kostenelementen der Produktpreise von SKF gehören. Entscheidend ist dabei, ob das Ziel dieser Veräußerungen die Sammlung von Kapital zur Finanzierung der übrigen Tätigkeiten des Konzerns war.
Hinweis
1. Erwerb, Halten und Verkauf von Aktien sind für sich betrachtet keine wirtschaftlichen/unternehmerischen Tätigkeiten. "In den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer" fallen bzw. steuerbar sind Umsätze, die sich auf Aktien beziehen, wenn sie erfolgen
- im Rahmen des gewerbsmäßigen Wertpapierhandels,
- zum Zweck des unmittelbaren oder mittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung begründet worden ist, oder
- wenn sie eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung einer steuerbaren Tätigkeit darstellen.
In diesen Fällen gehört auch die Veräußerung der Aktien zu der wirtschaftlichen Tätigkeit; sie kann aber als Geschäftsveräußerung nicht steuerbar sein, jedenfalls wenn alle Aktien der Tochtergesellschaft verkauft werden.
2. Liegt keine Geschäftsveräußerung vor, ist die Veräußerung der Aktien als „Umsätze, die sich auf Aktien, Anteile von Gesellschaften und Vereinigungen etc. beziehen, steuerfrei (Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. RL; Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MWStSystRL; vgl. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG). Diese Regelung erfasst alle Umsätze, die auf dem Wertpapiermarkt bewirkt werden, auch wenn sie typischerweise den professionellen Wertpapierhandel betrifft. "Wertpapierhandel" umfasst aber Handlungen, die die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändern – "Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen" (EuGH Rz. 48).
3. Aus dem 3. Leitsatz ergeben sich die Kriterien, die für den Vorsteuerabzug aus Beratungsleistungen für die Veräußerung gelten. Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit der – steuerbefreiten – Aktienve...