Normenkette

§ 10 WEG, § 16 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

Auf zwei Vorlagen des BayObLG (vgl. BayObLG, Entscheidung v. 1. 12. 1983, Az.: BReg 2 Z 109/83) zu Änderungsvereinbarungen in einer Gemeinschaftsordnung hat der BGH die Ansicht des vorlegenden Gerichts bestätigt (in Abweichung zu OLG Köln und OLG Frankfurt), allerdings mit gewissen Einschränkungen. Eine Unterscheidung in eine generelle oder punktuelle Änderungsvereinbarung wurde nicht getroffen.

Der Leitsatz der BGH-Beschlussentscheidung lautet:

Enthält die Teilungserklärung einen Verteilungsschlüssel für die Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums und sieht eine Abänderungsmöglichkeit durch "absoluten" Mehrheitsbeschluss vor, ist eine Änderung des Verteilungsschlüssels gleichwohl nur dann zulässig, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und einzelne Wohnungseigentümer gegenüber dem früheren Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt werden.

Im vorliegenden Fall war in der Gemeinschaftsordnung der Anlage vereinbart worden, dass Unterhaltungs- bzw. Instandhaltungskosten der Aufzugsanlagen nach einem "Aufzugsschlüssel" lediglich auf bestimmte Eigentümer verteilt werden (nicht auf die Erdgeschosswohnungen). Weiterhin war vorgesehen, dass diese Vereinbarung durch "absoluten Mehrheitsbeschluss" geändert werden könne, wenn die Gläubiger aller im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechte zustimmten. Durch Mehrheitsbeschluss sollte nun der "Aufzugsschlüssel" abgeändert und rückwirkend sollten auch die Eigentümer der Erdgeschosswohnungen mit in die Kostenlast einbezogen werden.

Der BGH hat grundsätzlich die Kostenverteilungsänderungsmöglichkeit durch Mehrheitsbeschluss bejaht. Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang auf die sehr weitgehende Vertragsfreiheit der Wohnungseigentümer für die Regelung ihres Verhältnisses untereinander. Ferner auf die Tatsache, dass sich mit der Billigung einer Abänderungsklausel in der Gemeinschaftsordnung Wohnungseigentümer mit der Geltung des Mehrheitsgrundsatzes im Rahmen der weitgehenden Gestaltungsfreiheit einverstanden erklärt hätten. Auch könnten neuere Erfahrungen, technische Entwicklungen oder eine Umstellung der Lebensgewohnheiten eine Anpassung an die geänderten Verhältnisse erforderlich machen. Hingewiesen wurde schließlich auch auf das mögliche Desinteresse von Bauherrenmodell-Kapitalanlegern, Fragen des praktischen Zusammenlebens in einer Wohnungseigentümergemeinschaft übereinstimmend mit anderen Wohnungseigentümern zu regeln.

Allerdings müsse der Gefahr begegnet werden, dass sich eine Mehrheit über schutzwürdige Interessen einer Minderheit hinwegsetzt: Vereinbarte Abänderungsklauseln dürften deshalb nicht dazu führen, dass einmal getroffene Vereinbarungen nach Belieben der jeweiligen Mehrheit geändert werden könnten. Der einzelne Wohnungseigentümer müsse vielmehr darauf vertrauen können, dass Änderungen nicht ohne weiteres möglich seien. Eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss sei deshalb nur zuzulassen, wenn sachliche Gründe vorlägen und einzelne Wohnungseigentümer aufgrund der Neuregelung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nicht unbillig benachteiligt würden. Bei einem Lasten- und Kostenverteilungsschlüssel sei dies insbes. dann der Fall, wenn sich die Verhältnisse gegenüber früher in wesentlichen Punkten geändert hätten oder sich die ursprünglich vorgesehene Verteilung nicht bewährt habe. Ob eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss zulässig sei, hänge demnach von den Besonderheiten des Einzelfalles ab (für den vorliegenden Fall: der vereinbarte Aufzugskosten-Verteilungsschlüssel könne nicht als unangemessen erscheinen; es hätten sich auch die Verhältnisse zwischen den Beteiligten nicht geändert, so dass allein durch Mehrheitsbeschluss eine Abänderung des Verteilungsschlüssels hier nicht erfolgen könne. Eine solche beschlussweise Änderung werde auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass in einer Gemeinschaftsordnung eine (andere) Regelung hätte getroffen werden können, etwa dergestalt, dass sich auch Erdgeschossbewohner an den Aufzugskosten beteiligen müssten.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Beschluss vom 27.06.1985, VII ZB 25/84)

Zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung

Anmerkung:

Diese vom BGH nunmehr geäußerte Einschränkung ist grundsätzlich gerechtfertigt, zumal jegliche Mehrheitsbeschlüsse am Kriterium "der ordnungsgemäßen Verwaltung" gemessen werden und insoweit richterlicher Kontrolle unterliegen. Die generalklauselartigen Begriffe des BGH ("sachlicher Grund" bzw. "unbillige Benachteiligung") lassen sich wohl nicht vermeiden, auch wenn es in Zukunft in vergleichbaren Fällen schwer sein wird, Entscheidungsprognosen zu geben. Die Ermessensentscheidung des Tatrichters muss im Streitfall den Ausschlag geben. Eine weise "Kompromissentscheidung", die respektiert werden muss.

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