Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
- Wichtige Grundsatzentscheidung des BGH zu Änderung der Kostenverteilung bei anstehender Balkonsanierung
- Vorliegend verneinte Anspruchsberechtigung des Klägers (mit Wohnung ohne Balkon), weder nach § 16 Abs. 4 WEG im Einzelfall noch generell nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG
- Zu den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen der alternativ nebeneinander stehenden Anspruchsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 4 WEG und § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG
- Konstruktive Balkonteile stehen gesetzlich zwingend im Gemeinschaftseigentum
Normenkette
§§ 10 Abs. 2 Satz 3, 16 Abs. 4, 21 Abs. 1, 3, 4 und 8, 23 Abs. 1, 43 Nr. 4, 46 WEG
Kommentar
Der BGH hat in dieser für die Praxis sehr bedeutsamen und ausführlich begründeten Entscheidung folgende Leitsätze herausgestellt:
a)Die Ablehnung eines Beschlussantrags durch die Wohnungseigentümer (Negativbeschluss) unterliegt auch ohne Verbindung mit einem auf die Feststellung eines positiven Beschlussergebnisses gerichteten Antrags der gerichtlichen Anfechtung (Abgrenzung zu Senat, BGHZ 152 S. 46, 51 und 156 S. 19, 22).
b)Die vorherige Beschlussfassung der Versammlung der Wohnungseigentümer mit einem auf deren Mitwirkung an einer ordnungsgemäßen Verwaltung gerichteten Antrag ist Zulässigkeitsvoraussetzung der Gestaltungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG.
c)Für die Entscheidung über das Verlangen eines Wohnungseigentümers nach einer vom Gesetz abweichenden Vereinbarung oder der Anpassung einer Vereinbarung (§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG) fehlt den Wohnungseigentümern die Beschlusskompetenz; die auf Zustimmung zu der Änderung gerichtete Leistungsklage ist deshalb ohne vorherige Beschlussfassung der Wohnungseigentümerversammlung zulässig.
d)Die Regelung in § 16 Abs. 4 WEG zur Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels im Einzelfall schließt nicht die Geltendmachung des auch denselben Einzelfall betreffenden Anspruchs auf Zustimmung zur generellen Änderung der Kostenverteilung nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG aus.
e)Der Anspruch eines Wohnungseigentümers, nach § 16 Abs. 4 Satz 1 WEG im Einzelfall eine abweichende Kostenverteilung durchzusetzen, besteht nicht schon dann, wenn sie dem in der Vorschrift genannten Gebrauchsmaßstab Rechnung trägt; die in § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG genannten Voraussetzungen für die generelle Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels müssen ebenfalls vorliegen.
Zum Sachverhalt und aus den Gründen der Entscheidung:
In einer Wohnanlage besaßen 6 von 14 Wohnungen Balkone, über deren Zugehörigkeit zu Sonder- oder Gemeinschaftseigentum in der Teilungserklärung keine ausdrückliche Regelung getroffen war. Im Jahr 2007 wurde bereits die Sanierung der Balkone beschlossen. Ein Jahr später wurde die Kostenverteilung der Sanierung neuerlich diskutiert, Einholung von Rechtsrat angekündigt und ein Antrag der klagenden Wohnungseigentümerin durch Negativbeschluss abgelehnt, die Kostenverteilung nach Wohneinheiten statt nach vereinbarten Miteigentumsanteilen vorzunehmen; die Ablehnung erfolgte aufgrund nicht erreichter Mehrheit nach § 16 Abs. 4 Satz 2 WEG.
Im Anschluss daran wurde von der Klägerin der Negativbeschluss angefochten, daneben Leistungsklage erhoben mit dem Antragsziel, dass nur die sechs Balkoneigentümer an den Kosten der Sanierung ihrer Balkone zu beteiligen seien; hilfsweise sei Verteilung nach der Zahl der Einheiten statt nach Miteigentumsanteilen vorzunehmen, hilfsweise seien die Beklagten zu verurteilen, einer Vereinbarung dahingehend zuzustimmen, dass die Kosten jeglicher Balkonsanierungen ganz generell nur von den betreffenden sechs Eigentümern mit Balkon zu tragen seien (§ 10 Abs. 2 Satz 3 WEG).
Die Anträge wurden auch in der Revisionsinstanz vom BGH zurückgewiesen (mit folgenden Kernaussagen):
a)Auch ein Negativbeschluss kann gerichtlich angefochten und auf Rechtsgültigkeit überprüft werden (BGHZ 148, S. 335, 348). Das notwendige Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung ergibt sich daraus, dass ein Antragsteller durch eine Antragsablehnung ggf. in seinem Recht auf ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verletzt wird (Abgrenzung zu BGHZ 152 S. 46, 51 und 156, S. 19, 22; Wenzel, ZMR 2005, S. 413, 416).
b)Was die Zulässigkeit der Leistungsklage betrifft, hätte allerdings vorher von der Klägerin die Versammlung mit ihrer Forderung befasst werden müssen (Primärzuständigkeit der Gemeinschaft nach §§ 21 Abs. 1 und 3 sowie 23 Abs. 1 WEG). Zu Fragen ordnungsgemäßer Verwaltung muss sich ein Eigentümer um entsprechende Beschlussfassung bemühen, da ihm andernfalls das Rechtsschutzbedürfnis fehlt (h.M.). Von einer Ausnahme von diesem Gebot und unnötiger Förmelei (OLG München, NZM 2007 S. 132) war vorliegend nicht auszugehen. Selbst bei einem vorausgehenden Negativbeschluss kann grundsätzlich nicht auf den Willen der Eigentümer geschlossen werden, das Gegenteil eines gestellten Antrags (hier: Sanierungskostenbelastung allein der Balkoneigentümer) zu wollen (vgl. auch BGHZ 148, S. 335, 349). Im vorliegenden Fall ergibt sich gerade aus der Protokollierung vor Fassung des Negativbeschlusses, dass die Gemeinschaf...