Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt, die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Obwohl der gemäß § 497 Abs. 1 ZPO ordnungsgemäß geladene Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war, konnte durch streitiges Endurteil entschieden werden. Das Gericht war nicht auf den Erlaß eines Versäumnisurteils gemäß § 331 Abs. 1, 2 ZPO beschränkt, brauchte mithin auf einen dahingehenden Antrag des Beklagten auch nicht hinzuwirken.

Für ein Urteil nach Lage der Akten gemäß den §§ 331 a, 251 a Abs. 2 ZPO fehlten die Voraussetzungen ohnehin.

Gemäß § 495 a Abs. 1 Satz 1 ZPO konnte das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, denn der Streitwert übersteigt DM 1.200,00 nicht.

Zwar darf der Grundsatz rechtlichen Gehörs dabei nicht eingeschränkt werden, was durch die vorliegend gewählte Verfahrensweise aber auch nicht geschehen ist (zur Statthaftigkeit eines unanfechtbaren Endurteils bei Säumnis vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 53. Auflage, § 495 a Rn 75, 69).

Die Klägerwiderung, in der auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit der dem Klaganspruch zugrundegelegten Satzungsbestimmung hingewiesen worden war, ist dem Klägervertreter so rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt worden, daß er sich dazu jedenfalls noch schriftsätzlich hätte erklären können. § 278 Abs. 3 ZPO ist dadurch Genüge getan.

Auch der Umstand, daß die Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung gemäß § 495 a Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich mündliche Verhandlung beantragt hat, gebot nicht den bloßen Erlaß eines Versäumnisurteils (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, § 495 a Rn 20 f). Dieses Antragsrecht soll die Parteien lediglich in die Lage versetzen, in dem Verfahren mit sonst nur freigestellter mündlicher Verhandlung eine Erörterung in Rede und Gegenrede auch in den Fällen zu ermöglichen, in denen das Gericht das nicht für erforderlich hält. Jedenfalls wenn aber gerade die Partei, die davon Gebrauch gemacht hat, im Termin ausbleibt, mithin die ihr antragsgemäß eingeräumte Möglichkeit zum mündlichen Vortrag nicht wahrnimmt, gibt sie dadurch zu erkennen, daß ihr daran nicht mehr gelegen ist. Im übrigen wäre es mit dem Beschleunigungs- und Vereinfachungszweck des § 495 a ZPO unvereinbar, das Gericht in einem Verfahren, in dem nach den gesetzgeberischen Wertungen mündliches Verhandeln im Regelfall gar nicht erforderlich ist, sondern nur auf besonderen Antrag und dann auch nur einmal, zu verpflichten, durch Erlaß eines Versäumnisurteils die Möglichkeit des Einspruchs mit der Folge eines weiteren Termins offenzuhalten.

Die Klage ist unbegründet.

Die klagende Gewerkschaft verlangt Rückzahlung der im Dezember 1993 während der Mitgliedschaft des Beklagten an ihn gezahlten Streikunterstützung von DM 762,45, weil er am 27. Juli 1994 seinen Austritt erklärt hat. Ein solcher Rückzahlungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

Zwar enthält ihre Satzung die Klausel: „Mitglieder, die innerhalb eines Jahres nach Erhalt von Streikunterstützung aus der … austreten, müssen die erhaltene Unterstützung voll zurückzahlen.”

Diese Regelung ist jedoch unwirksam.

Nicht nur das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten (positive Koalitionsfreiheit), sondern auch das Recht, das zu unterlassen oder aus ihr auszutreten (negative Koalitionsfreiheit), ist grundrechtlich geschützt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob auch die negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG oder aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleiten ist. Angesichts des umfassenden Regelungsbereichs des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit kann der negativen Koalitionsfreiheit der Schutz der Verfassung zumindest nicht gänzlich versagt werden (vgl. zum Streitstand: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Auflage, § 188 III 2).

Entweder gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG, der die Koalitionsfreiheit einschränkende oder behindernde Abreden ausdrücklich für nichtig erklärt, oder gemäß § 134 BGB, dem das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, auch wenn es nur auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhen sollte, wegen seiner herausragenden Bedeutung unmittelbar als Verbotsgesetz unterfällt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 55. Auflage, § 134 Rn 4), beeinträchtigt die in der klägerischen Satzung enthaltene Rückzahlungsklausel das Recht des einzelnen Mitglieds, sich von ihr zu lösen, in unzulässiger und nichtigkeitsbegründender Weise.

Auf Gewerkschaftsmitglieder darf nicht finanzieller Druck ausgeübt werden, um sie von einem Austritt abzuhalten. Letztlich wirkt die Pflicht zur Rückzahlung des erhaltenen Streikgeldes bei einem Austritt vor Ablauf eines Jahres wie eine Austrittsgebühr, die dem Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit zuwiderläuft (vgl. Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht/Löwisch, Band 3, Kollektives Arbeitsrecht, 1993, § 238 Rn 61).

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, daß abweichend von der höchstens zweijährigen Frist zum Vereinsaustritt des § 39 Abs. 2 BGB die Kündigungsfrist bei Gewerkschaften höchstens sechs Monate betragen darf (vgl. Palandt/Heinrichs, ...

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