Entscheidungsstichwort (Thema)
Nötigung
Nachgehend
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet
verworfen.
Gründe
Der Wiederaufnahmeantrag des Verurteilten ist gem. § 79 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz zulässig (siehe OLG Koblenz vom 24.06.1996 in NJW 96/3351) aber unbegründet. Er kann nicht auf §§ 359 Nr. 5 StPO gestützt werden, da neue Tatsachen keine Rechtstatsachen gem. § 359 Nr. 5 StPO darstellen, insbesondere daher nicht der Wegfall oder die Änderung eines Gesetzes oder Wandel der Rechtssprechung neue Tatsachen darstellen können (Kleinknecht/Meyer § 359 Randnummer 24).
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 10.01.1995 (NJW 95, 1141) nicht entschieden, daß Sitzblockaden nicht mehr als Nötigung durch Gewalt behandelt werden können.
Mit Bindungswirkung entschieden ist der Leitsatz, daß „die erweiternde Auslegung des Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit Sitzdemonstrationen … gegen Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz (verstößt)”.
In den Gründen wird zum Bundesverfassungsgericht beanstandet, daß die Rechtssprechung bei Anwendung des § 240 StGB („mit Gewalt … nötig”) „auf die Kraftentfaltung des Täters so weitgehend verzichtet, daß … bereits die körperliche Anwesenheit an einer Stelle, die ein anderer einnehmen oder passieren möchte, zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Gewalt genügt, falls der andere durch die Anwesenheit des Täters psychisch gehemmt wird, seinen Willen durchzusetzen” (Bundesverfassungsgericht in NJW 95, 1141).
Das heißt, daß von der notwendigen Bestimmtheit des Gesetzes und eines zulässigen Auslegung des § 240 Abs. 1 StGB nicht mehr gedeckt, ist der Bereich, „in dem die Gewalt lediglich in körperlicher Anwesenheit besteht und die Zwangseinwirkung auf den Genötigten nur psychischer Natur ist”.
In dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall lag der Sachverhalt zugrunde, daß der Fahrer eines einzelnen Fahrzeugs dadurch an der Weiterfahrt gehindert wurde, daß sich fünf Personen lediglich als psychisches Hindernis gewertet wurden, da „tatsächlich” das Fahrzeug die Barriere hätte durchbrechen können.
Der dem Urteil des Antragstellers zugrunde liegen lagen folgende Tatsachen zugrunde:
Etwa 150 beteiligte Personen setzten sich so auf die gesamte Breite der Zufahrtsstraße zum Truppenübungsplatz und der US-Kaserne in Wildflecken etwa 60–70 m vor dem Haupttor auf die Straße, das diese in ihrer gesamten Breite versperrt war und der Fahrer eines Lastkraftwagens anhalten mußte.
Die nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht vom 10.01.1995 gebotenen Einschränkung treffen daher den vorliegenden Fall des Antragstellers nicht, da die zumindest ab der Position 2 in der Fahrzeugschlange vor der auch vom Verurteilten gebildeten Menschenkette stehenden Fahrzeuge nicht mehr nur psychischer Zwangseinwirkung unterlegen sind, sondern sich einem psysischen Hindernis in Form des ersten vom Verurteilten gestoppten Fahrzeugs gegenüber sahen (Bundesgerichtshof vom 20.07.1995 in NJW 95, 2643). Dem steht nach BGH nicht entgegen, daß der Antragsteller nicht selbst in eigener Person (sondern lediglich durch das erste gestoppte Fahrzeug) in unmittelbaren Kontakt auf die weiteren Fahrzeuge eingewirkt hat.
Diese Wirkung durch das erste, auch vom Angeklagten gestoppte Fahrzeuge auf die übrigen in der Fahrzeugschlage stehenden Fahrzeug auf die übrigen in der Fahrzeugschlage stehenden Fahrzeuge ist dem Angeklagten zuzurechnen, da er das von ihm – „möglicherweise nur durch psychische Gewalt” – gestoppte erste Fahrzeug als Mittel zur Bildung einer Barriere benutzte und diese Wirkung nach den Vorstellungen des Verurteilten und Antragstellers im Wiederaufnahmeverfahren gerade die notwendige und gewollte Folge seines Verhaltens war.
Aus den genannten Gründen war auch nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 10.01.1995 geforderten Gesichtspunkte das Halten des Angeklagten als Nötigung strafbar und sein Wiederaufnahmeantrag daher als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 6 Nr. 1 StPO.
Unterschriften
Pittner Richter am Amtsgericht
Fundstellen