Leitsatz (amtlich)

1. Bestreitet der Kunde den Zugang einer Sperrandrohung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GasGVV sowie einer Sperrankündigung gemäß § 19 Abs. 3 GasGVV, ist der Versorger beweisbelastet für den Zugang. Zugunsten des Versorgers spricht jedenfalls dann kein Anscheinsbeweis für den Zugang, wenn er zu den Einzelheiten über die Versendung der Schreiben nicht vorträgt. In diesem Fall kann sich der Kunde ferner auf ein einfaches Bestreiten des Zuganges beschränken.

2. Bleibt der Versorger beweisfällig für den Zugang einer Sperrandrohung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GasGVV, kann er diese im Prozess bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachholen. Es reicht dabei aus, dass die in einem Schriftsatz enthaltene Androhung dem Prozessbevollmächtigten des Kunden zugeht.

3. Bleibt der Versorger beweisfällig für den Zugang einer Sperrankündigung gemäß § 19 Abs. 3 GasGVV und holt er diese nicht bis spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung nach, steht ihm gegen den Kunden kein Anspruch auf Duldung einer Versorgungssperre zu. Das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Sperrankündigung stellt eine weitere Voraussetzung für den Anspruch des Versorgers auf Duldung der Versorgungssperre dar (entgegen AG Erfurt, Urt. v. 09.09.2009 - 14 C 1790/09).

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1; GasGVV § 19 Abs. 2 S. 1, Abs. 3; ZPO §§ 81, 139

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf 1.446,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von Zutritt und Duldung der Unterbrechung der Gasversorgung.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 18.06.2008 ein Vertrag über die Versorgung des Objekts ... in ... mit Gas (Vertragskontonummer ...). Am 24.08.2009 baute die Klägerin den in dem Objekt vorhandenen Gaszähler mit der Nr. ... mit einem Zählerstand von 55.650 aus und baute den Gaszähler mit der Nr. ... mit einem Anfangszählerstand von 1 ein. Am 28.08.2009 wurde eine Befundprüfung hinsichtlich des ausgebauten Gaszählers mit der Nummer ... durchgeführt, die ausweislich der von der Klägerin eingereichten Kopie der Bescheinigung über die Befundprüfung vom 31.08.2009 (Anlage K 13, Bl. 99 d.A.) ergab, dass die Anforderungen an die äußere Beschaffenheitsprüfung erfüllt sind, die Messergebnisse innerhalb der Verkehrsfehlergrenze liegen und keine Mängel des Zählwerks festgestellt werden konnten.

Mit Schreiben vom 23.03.2011 rechnete die Klägerin über den Verbrauch in dem Zeitraum vom 12.03.2010 bis 01.03.2011 ab und errechnete monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 241,00 €. Für diesen Zeitraum berechnete die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.362,39 €. In der Rechnung sind ferner "sonstige Forderungen" in Höhe von insgesamt 7.717,65 € aufgeführt, die sich ausweislich der der Rechnung beigefügten Aufstellung auf vier Verbrauchsabrechnungen in Höhe von 2.997,85 €, in Höhe von 293,77 € (Rechnung vom 01.04.2009, Anlage K 8, Bl. 51-54 d.A.) über die Lieferung von Strom, in Höhe von 3.363,55 € (Rechnung vom 21.04.2010, Anlage K 10, Bl. 57-61 d.A.) über die Lieferung von Gas, in Höhe von 805,95 € (Rechnung vom 25.05.2010) über die Lieferung von Strom und im Übrigen auf Mahnkosten in Höhe von insgesamt 55,00 € und sonstigen Nebenforderungen wegen Außendiensteinsätzen in Höhe von insgesamt 201,53 € beziehen. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt der Abrechnung vom 23.03.2011 wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Anlage K 1, Bl. 7-9 d.A.). Mit Schreiben vom 02.05.2011 (Anlage K 2, Bl. 10 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte ergebnislos zur Zahlung der Rückstände auf.

Die Klägerin behauptet, die Beklagte mit zugegangenem Schreiben vom 16.05.2011 (Anlage K 3, Bl. 11 d.A.) an die Zahlung erinnert und die Sperrung angedroht zu haben. Weiter behauptet sie, gegenüber der Beklagten mit weiterem zugegangenem Schreiben vom 06.06.2011 die Sperrung der Versorgung zum 16.06.2011 angekündigt zu haben. Die Beklagte habe dem Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers am 16.06.2011 den Zutritt nicht gewährt.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Beauftragten des zuständigen Netzbetreibers, die ..., den Zutritt zu dem Gaszähler Nr. ... in der Verbrauchsstelle ..., zu gewähren und die Unterbrechung der Gasversorgung durch den Beauftragten der ... zu dulden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt Einwendungen gegen die in den Abrechnungen zugrunde gelegten Verbrauchswerte. Die Abrechnungen beruhten auf fehlerhaften Abrechnungen und fehlerhaften Messergebnissen. Sie meint, dass eine ordnungsgemäße Sperrankündigung Voraussetzung für eine Versorgungssperre sei.

Mit Schrifts...

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