Entscheidungsstichwort (Thema)

Abberufung eines Arbeitnehmervertreters im Gläubigerausschuss. Ergänzungsbefugnis des Insolvenzgerichts. Niederlegung eines Amtes im Gläubigerausschuss durch einseitige Erklärung

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Mitglied des Gläubigerausschusses kann sein Amt nicht durch einseitige Erklärung niederlegen.

Auch die gerichtliche Entlassung eines Gläubigerausschussmitglieds auf eigenen Wunsch setzt einen wichtigen Grund voraus. Als wichtiger Grund reicht es in solchen Fällen regelmäßig aus, dass das Ausschussmitglied selbst sein weiteres Verbleiben im Amt nicht mehr für zumutbar hält und seine Motive nicht offenkundig sachfremd sind.

Scheidet ein Gläubigerausschussmitglied, das dem Ausschuss als Repräsentant einer bestimmten Gläubigergruppe angehört hat, aus seinem Amt aus, so ist das Insolvenzgericht befugt, ein neues Ausschussmitglied zu ernennen. Dabei ist nach Möglichkeit ein Vertreter derselben Gläubigergruppe auszuwählen.

Die Gläubigerversammlung kann entsprechend § 68 Abs. 2 InsO das vom Gericht nachträglich bestellte Ausschussmitglied abwählen und im Rahmen der § 78 Abs. 1, § 67 Abs. 2 InsO ein anderes Mitglied wählen.

 

Normenkette

RPflG § 18 Abs. 2 S. 3; InsO § 68 Abs. 2, § 70; AktG § 104; InsO § 78 Abs. 1, § 67 Abs. 2

 

Tenor

1. Rechtsanwalt … wird aus dem Amt als Mitglied des Gläubigerausschusses entlassen.

2. An seiner Stelle wird zum neuen Mitglied des Gläubigerausschusses der Vorsitzende des Betriebsrates der Schuldnerin, Heinz …, bestellt. Die Bestellung wird erst mit Zugang der schriftlichen Annahmeerklärung des Bestellten beim Insolvenzgericht wirksam. Die Annahme kann nur bis zum 31. Juli 2003 erklärt werden.

3. Eine Gläubigerversammlung zur Beschlussfassung über die Bestätigung des bestellten Ausschussmitglieds oder die Wahl eines anderen Mitglieds wird vorerst nicht von Amts wegen einberufen.

 

Tatbestand

I.

Am 4.3.2003 setzte das Gericht auf Anregung des vorläufigen Insolvenzverwalters einen aus drei Mitgliedern bestehenden vorläufigen Gläubigerausschuss ein, dem durch Beschluss vom 8.4.2003 noch ein weiteres Mitglied beigegeben wurde. Neben einer Bank, dem Pensionssicherungsverein und einem Vertreter der Lieferanten gehörte dem Ausschuss als Repräsentant der ca. 330 Arbeitnehmer Rechtsanwalt Dr. … an, der zu diesem Zeitpunkt Rechtsberater des Betriebsrats war. Die erste Gläubigerversammlung bestätigte am 3.6.2003 alle Ausschussmitglieder im Amt. Am 11.6.2003 entzog der Betriebsrat dem Rechtsanwalt Dr. … das anwaltliche Mandat und beschloss, sein Vorsitzender … solle neuer Arbeitnehmervertreter im Gläubigerausschuss werden. Gleichzeitig erklärte Rechtsanwalt Dr. … dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 10.6.2003, er lege sein Mandat im Gläubigerausschuss nieder und bitte, den Betriebsratsvorsitzenden zum neuen Ausschussmitglied für die Arbeitnehmerseite bestellen zu lassen. Der Insolvenzverwalter unterrichtete hiervon das Gericht und teilte mit, die übrigen Mitglieder des Gläubigerausschusses seien mit dem Wechsel einverstanden.

Der Richter hat die Entscheidung in dieser Angelegenheit an sich gezogen (§ 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die einseitige Amtsniederlegung durch Rechtsanwalt Dr. … ist ohne unmittelbare Wirkung. Es ist jedoch rechtlich geboten, … Dr. … aus dem Amt als Gläubigerausschussmitglied zu entlassen und an seiner Stelle den Vorsitzenden des Betriebsrates, …, zum Ausschussmitglied zu ernennen.

1.

Wer Mitglied des Gläubigerausschusses ist, kann sein Amt, wenn er es einmal angenommen hat, nicht mehr durch einseitige Erklärung niederlegen. Will er es vorzeitig beenden, so ist hierzu entweder ein Beschluss der ersten Gläubigerversammlung (§ 68 Abs. 2 InsO) oder eine Entlassungsentscheidung des Insolvenzgerichts (§ 70 InsO) erforderlich (vgl. Begründung zu § 81 RegE-InsO, abgedr. bei Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 152; ferner Kubier, in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 4/2003, § 70 RdNr. 8f., 15; Nerlich/Römermann/Delhaes, InsO, Stand: 3/2003, § 70 RdNr. 5; Gößmann, in: Münchener Kommentar zur InsO, 2001,§ 70 RdNr. 16; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 70 RdNr. 1, 6; Vallender, WM 2002, 2040, 2043).

Die Entlassung durch das Gericht kann nur aus wichtigem Grund erfolgen (§ 70 Satz 1 InsO). Strebt das Ausschussmitglied selbst seine Entlassung an, so sind an die Feststellung des wichtigen Grundes allerdings keine allzu strengen Anforderungen zu stellen. Es dient schwerlich der Förderung des Insolvenzverfahrens, ein Ausschussmitglied gegen seinen Willen im Amt zu halten. Als wichtiger Grund reicht es in solchen Fällen deshalb regelmäßig aus, dass das Ausschussmitglied selbst sein weiteres Verbleiben im Amt nicht mehr für zumutbar hält und seine Motive nicht offenkundig sachfremd sind (im Ergebnis ebenso Kubier, in: Kübler/Prütting, InsO, Stand: 4/2003, § 70 RdNr. 9; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 70 RdNr. 7; Eickmann, in: Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl. 2001, § 70 RdNr. 4; ähnlich auch Vallender, WM 2002, 2040, 2044).

Im vorlie...

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