Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugehörigkeit laufenden Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse
Leitsatz (amtlich)
Liegen die Voraussetzungen für die Ankündigung der Restschuldbefreiung vor (§ 291 InsO) und hat der Schuldner laufendes Einkommen, so erfolgt die Schlussverteilung, sobald die Insolvenzmasse mit Ausnahme des laufenden Einkommens verwertet ist.
Kommt eine Ankündigung der Restschuldbefreiung nicht in Betracht, so ist die Schlussverteilung erst zulässig, wenn das zur Masse gehörende Vermögen verwertet und anschließend das laufende Einkommen vorbehaltlich der Bestimmung des § 114 Abs. 1 InsO für die Zeit von sieben Jahren zur Insolvenzmasse eingezogen worden ist. Art. 107 EGInsO ist nicht anzuwenden.
Tatbestand
I.
Am 2.5.2000 ist auf Antrag eines Gläubigers über das Vermögen des Schuldners das (vereinfachte) Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt T. zum Treuhänder bestellt worden. Der Schuldner ist als Elektriker bei der Stadtwerke Duisburg AG beschäftigt. Er ist verheiratet und hat eine 1986 geborene Tochter.
Bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens war abzusehen, dass der Schuldner neben einem Bausparguthaben von 662,62 DM über weiteres pfändbares Vermögen nicht verfügte und seine laufenden pfändbaren Bezüge aus Arbeitseinkommen an die Gläubigerin A. AG zur Sicherung einer Darlehensforderung i.H.v. noch ca. 41.500 DM abgetreten waren. Das Verfahren wurde daher erst eröffnet, nachdem der antragstellende Gläubiger einen Kostenvorschuss gezahlt hatte. Der Gläubiger nahm an, dass der Schuldner Restschuldbefreiung beantragen und sodann nach Ablauf der Dreijahresfrist des § 114 Abs. 1 InsO das pfändbare Arbeitseinkommen für die restliche Wohlverhaltenszeit des Schuldners allen Insolvenzgläubigern anteilig zugute kommen werde.
Der Schuldner hat trotz zweimaliger Belehrung durch das Gericht nach § 306 Abs. 3 und § 30 Abs. 3 InsO keinen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Im Prüfungstermin am 21.6.2000 sind insgesamt Forderungen von 12 Insolvenzgläubigern geprüft worden. Es wurden Forderungen i.H.v. 226.568,44 DM festgestellt (einschließlich der gesicherten i.H.v. 41.517 DM) und Forderungen i.H.v. 14.293,55 DM vom Treuhänder bestritten.
Der Treuhänder hat die Verwertung des schuldnerischen Vermögens mit Ausnahme des laufenden Arbeitseinkommens abgeschlossen. Er erwägt, in Kürze die Schlussverteilung einzuleiten und Schlussrechnung zu legen. Mit Schreiben v. 30.8.2000 hat er bei Gericht angefragt, ob hiergegen Bedenken bestehen. Der Antragstellende Gläubiger ist der Ansicht, das Verfahren müsse bis zur endgültigen Verwertung des laufenden Einkommens des Schuldners fortgesetzt werden. Auch dieses Einkommen gehöre, soweit es pfändbar sei und keine Absonderungsrechte bestünden, als Neuerwerb uneingeschränkt zur Insolvenzmasse.
Das laufende Netto-Arbeitseinkommen des Schuldners beträgt z.Zt. monatlich im Durchschnitt ca. 5.700 DM, daraus errechnet sich ein pfändbarer Betrag von monatlich ca. 2.600 DM.
Wegen der grds. Bedeutung der auftretenden Rechtsfragen hat der Richter die Beantwortung der Eingabe des Treuhänders an sich gezogen (§ 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG).
Entscheidungsgründe
II.
1.
Die Eingabe des Treuhänders ist als Anregung an das Insolvenzgericht zu verstehen, im Rahmen der Aufsicht seine Rechtsauffassung zu einer Frage mitzuteilen, welche die ordnungsgemäße Gestaltung des Verfahrens durch den Treuhänder betrifft. Die Anregung ist sachgerecht. Sie dient dazu, in einer wesentlichen und grds. Frage, die sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar beantworten lässt, gleichsam vorbeugend die Rechtsaufsicht des Insolvenzgerichts (§ 58 Abs. 1, § 313 Abs. 1 InsO) zur Geltung zu bringen.
2.
Die Schlussverteilung kann im vorliegenden Verfahren nicht vor dem 1.9.2007 stattfinden, sofern sich nicht vorher herausstellt, dass die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens (§§ 207-214 InsO) vorliegen.
a)
In § 196 Abs. 1 InsO ist bestimmt, dass die Schlussverteilung erfolgt, sobald die Verwertung der Insolvenzmasse beendet ist. Diese nahezu wörtlich aus § 161 Abs. 1 KO übernommene Regelung berücksichtigt nicht hinreichend, dass anders als nach früherem Recht nunmehr auch dasjenige Vermögen zur Insolvenzmasse gehört, das der Schuldner während des Insolvenzverfahrens erlangt (§ 35 InsO). Hierzu gehören insbesondere die pfändbaren Einkünfte, die eine natürliche Person aus einer beruflichen Tätigkeit bezieht (vgl. Begründung zu § 42 RegE = § 35 InsO, bei Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, S. 116). Zu ihr gehören aber außerdem auch laufende Bezüge nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Da diese Einkünfte i.d.R. periodisch wiederkehren, hätte ihre zeitlich unbegrenzte Einbeziehung in die Insolvenzmasse zur Folge, dass die in § 196 Abs. 1 InsO angesprochene Verwertung der Masse erst abgeschlossen werden könnte, wenn der Zufluss der laufenden Einkünfte auf Dauer beendet wäre, also in vielen Fällen erst mit dem Tod des Schuldners.
Dass dieses Ergebnis, soweit es sich auf natürliche Personen als Schuldner bez...