Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Anordnung des Schutzschirmverfahrens nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Normenkette
InsO § 270 Abs. 1, § 270b
Tenor
1. Die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Schuldners wird angeordnet.
Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird
Rechtsanwalt Siemon, Maximilian-Welsch-Str. 4, 99084 Erfurt
bestellt.
2. Es wird angeordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind (§ 21 Abs. 2 Nummer 2, 2. Halbsatz InsO).
3. Der Antrag des Schuldners auf Erlass einer Anordnung nach § 270b InsO wird zurückgewiesen.
4. Da dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde, wird gemäß § 22 Abs. 2 InsO weiterhin angeordnet, dass die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters den folgenden Umfang haben:
Er hat die Aufgabe, durch Überwachung des Schuldners dessen Vermögen zu sichern und zu erhalten.
Er wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen und auf ein von ihm einzurichtendes Anderkonto einzuzahlen.
Der vorläufige Verwalter ist zur Fortführung des Betriebes bis zur Entscheidung über die Verfahrenseröffnung ermächtigt. Zur Stilllegung des Betriebes ist er nur mit Zustimmung des Gerichts befugt.
Er ist berechtigt, mit dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu führen.
Zur Vorbereitung einer Sanierung ist er berechtigt, Verhandlungen mit Banken über die Gewährung von Krediten zu führen.
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Der Schuldner hat dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einsicht in seine Bücher und Geschäftspapiere zu gestatten. Er hat ihm alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen; die §§ 97, 98, 101 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 InsO gelten entsprechend.
5. Rechtsanwalt Siemon wird gemäß §§ 22 Abs. 1 Nummer 3, 2. Halbsatz InsO beauftragt, binnen vier Wochen ein Gutachten mit zwei Durchschlagen darüber zu erstellen, ob
Tatsachen vorliegen, die dem Gericht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Schuldners ermöglichen;
eine die Verfahrenskosten deckende verfügbare Masse vorhanden ist (§ 26 Abs. 1 InsO);
Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens des Schuldners bestehen.
Der Schuldner hat dem Gutachter Zugang zu allen Vermögenswerten und zu den Geschäftsunterlagen zu verschaffen bzw. zu gestatten. Der Gutachter ist berechtigt, diesen Zugang wie ein Eigentümer zu verlangen.
6. Gemäß § 21 Abs. 2 Nummer 3 InsO werden alle anderweitigen Vollstreckungsmaßnahmen untersagt. Sie sind einzustellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind.
7. Den Schuldnern des Schuldners (Drittschuldnern) wird verboten, an den Schuldner zu zahlen.
8. Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten, § 23 Abs. 1 Satz 3 InsO.
9. Dem vorläufigen Verwalter werden die Zustellungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 InsO an die Personen, die Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner haben, übertragen, § 21 Abs. 2 Nummern 1, 8, Abs. 3 InsO.
Gründe
Der Schuldner hat einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung und einem Antrag auf eine Anordnung nach § 270b InsO (Schutzschirmverfahren) gestellt.
Der Antrag auf Anordnung des Schutzschirmverfahrens ist unbegründet. Da der Schuldner mit dem Antrag keine ordnungsgemäße Bescheinigung nach § 270b Abs. 1 Satz 3 InsO vorgelegt hat, war eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Anordnung erst nach Einholung eines Gutachtens gem. Beschluss vom 30.03.2012 möglich.
Nach dem Gutachten des Sachverständigen Rechtsanwalt Siemon vom 11.04.2012 steht fest, dass die Voraussetzungen für ein Schutzschirmverfahren nicht vorliegen. Der Schuldner war zum 31.12.2011 im rechtlichen Sinne überschuldet. Darüber hinaus war der Schuldner bereits zum Ende Januar 2012 zahlungsunfähig. Die Zahlungsunfähigkeit dauerte im Februar 2012 fort und ist nach Auslaufen des Moratoriums zum 01.04.2012 erneut gegeben. Die Zahlungsunfähigkeit war zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich durch das Moratorium beseitigt worden. Dabei war zugleich absehbar, dass mit Auslaufen des Moratoriums zum 31.03.2012 die Zahlungsunfähigkeit wieder eintritt.
Soweit das Unternehmen zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits zahlungsunfähig war, scheidet das Schutzschirmverfahren von vornherein aus. Davon erfasst ist auch die vorliegende Situation des Schuldners, in der die bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit allein durch eine Stundungsvereinbarung mit den Gläubigern aufgeschoben wurde. In jedem Fall war die Zahlungsunfähigkeit mit dem 01.04.2012 erneut gegeben, da nicht alle Gläubiger einer Verlängerung der Stundung ausdrücklich zugestimmt haben.
Fest steht weiterhin, dass der derzeitige Stand der Planung für die angestrebte Sanierung offensichtlich aussichtslos erscheint und nicht hinreichend ...