Leitsatz (amtlich)

Bei der Stimmrechtsüberprüfung durch den Richter gemäß § 18 Abs. 3 S. 2 RpflG ist Entscheidungsgrundlage der Erkenntnishorizont in der fraglichen Gläubigerversammlung.

Findet im Berichtstermin vor Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins eine Stimmrechtsfestsetzung gemäß § 77 Abs. 2 S. 2 InsO statt, ist es für die kursorische Forderungsprüfung durch den Rechtspfleger erforderlich, dass neben dem Forderungsbetrag der Lebenssachverhalt dargelegt wird, der die geltend gemachte Forderung trägt. Hiervon sind auch die Finanzbehörden nicht befreit.

 

Normenkette

InsO 77 Abs. 2 Nr. 2; RpflG 18 Abs. 3 Nr. 2

 

Tenor

1) Die Anträge der weiteren Beteiligten zu 3) bis 7) gemäß § 18 Abs. 3 S. 2 RpflG werden insoweit zurückgewiesen, als sie sich auf den Beschluss der Gläubigerversammlung zur „Führung von Rechtsstreitigkeiten mit wesentlicher Bedeutung” beziehen.

2) Im Übrigen wird das Stimmrecht der weiteren Beteiligten zu 1) und 2) dahingehend neu festgesetzt, dass diesen ein Stimmrecht versagt wird.

3) Die Wiederholung folgender Abstimmungen der Gläubigerversammlung vom 18.03.2009 wird angeordnet:

  • Wahl eines anderen Insolvenzverwalters
  • Vornahme von Grundstücksgeschäften
  • Veräußerung etwaiger Ansprüche gegen die GEMA.
 

Gründe

Mit (nicht rechtskräftigem) Beschluss vom 16.12.2008 hat das Amtsgericht über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. N:N. zum Insolvenzverwalter bestellt. Durch Beschluss vom 22.12.2008 hat das Amtsgericht Berichtstermin (erste Gläubigerversammlung) auf den 18.03.2009 anberaumt und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen das schriftliche Verfahren mit einer Anmeldefrist bis 14.04.2009 sowie einer Einwendungs-/Widerspruchsfrist bis 27.04.2009 angeordnet.

Im Zeitpunkt des Berichtstermins lagen dem Insolvenzverwalter u.a. bereits die Forderungsanmeldungen der weiteren Beteiligten zu 1) und 2) vor, die aber nicht zum-Gegenstand der Gläubigerversammlung gemacht wurden. Im Berichtstermin kam es zwischen dem Verwalter und den erschienen Gläubigern zur Einigung über das Stimmrecht von drei Gläubigern -u.a. hinsichtlich des weiteren Beteiligten zu 7)- (Im Folgenden: B7). Hinsichtlich der weiteren erschienen bzw. vertretenen Gläubiger setzte die Rechtspflegerin die Stimmrechte antragsgemäß fest, u.a. hinsichtlich der weiteren Beteiligten zu 1) bis 6) (Im Folgenden: B1, B3, usw.). Dabei erfolgte die Stimmrechtsfestsetzung für B1 in Höhe von 1 386,00 EUR und für B2 (Im Folgenden: Finanzamt) in Höhe von 43 043 646,49 EUR, und zwar ohne Prüfung und Begründung. Insoweit (B1 und Finanzamt) beantragten B3 bis B 7 noch im Berichtstermin eine Stimmrechtsüberprüfungdurch den Richter gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG. Im weiteren Verlauf des Berichtstermins fasste die Gläubigerversammlung den im Tenor zu 1) genannten Beschluss einstimmigsowie die im Tenor zu 3) genannten Beschlüsse. Hinsichtlich der Wahl eines neuen Insolvenzverwalters wurde eine Kopfmehrheit erzielt, die Summenmehrheit aber verfehlt. Die beiden anderen zu 3) tenorierten Beschlüsse kamen mit Summenmehrheit zustande. Ohne die Stimmen des Finanzamtes wäre hinsichtlich der Wahl eines anderen Verwalters auch eine Summenmehrheit zustande gekommen, wohingegen die Summenmehrheiten hinsichtlich der beiden anderen (nicht einstimmigen) Beschlüsse verfehlt worden wären.

Die Anträge gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG sind unzulässig, soweit sie sich auf den Beschluss der Gläubigerversammlung zur „Führung von Rechtsstreitigkeiten mit wesentlicher Bedeutung” beziehen. Denn insoweit hat sich die Festsetzung des Stimmrechts durch die Rechtspflegerin nicht auf das Ergebnis der Abstimmung ausgewirkt, nachdem die fragliche Abstimmung einstimmig erfolgte.

Im Übrigen sind die Anträge zulässig, insbesondere rechtzeitig bis zum Schluss des Termins, in welchem die fraglichen Abstimmungen stattgefunden haben, gestellt.

Die Stimmrechtsfestsetzung durch die Rechtspflegerin hat sich insoweit auch auf das Ergebnis der Abstimmungen ausgewirkt, nachdem auf der Grundlage der tenorierten Neufestsetzung die fraglichen, im Tenor zu 3) genannten Abstimmungen der Gläubigerversammlung mit umgekehrtem Ergebnis ausgegangen wären. Hinsichtlich des Stimmrechts B1 ist eine Auswirkung zwar nur zusammen mit dem Stimmrecht des Finanzamtes gegeben, was aber ausreichend ist (AG Mönchengladbach, ZInsO 2001, 141; MüKoInso/Ehricke, 2. A., § 77, Rn. 25).

Die zulässigen Anträge sind auch begründet, weshalb die Neufestsetzung der Stimmrechte zu erfolgen hatte und die Wiederholung der Abstimmungen anzuordnen war.

Die Neufeststellung der (gegenteiligen) Beschlussergebnisse auf der Grundlage der Neufestsetzung der Stimmrechte scheidet dagegen aufgrund des eindeutigen Wortlautes des § 18 Abs. 3 Satz 2 RpflG aus (Braun,Insolvenzordnung, 2.A., § 77 Rn 23; FKInsO/Kind, 5.A., § 77 Rn 26).

Demgegenüber ist die Neufestsetzung der Stimmrechte nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine fehlgeschlagene Einigung der Gläubiger als gesetzliche Voraussetzung der Stimmrechtsentscheidung de...

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