Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufheben eines gegen den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erlassenen Haftbefehls nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist auf Antrag des Schuldners ein gegen den Schuldner zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 807 der Zivilprozessordnung) erlassener Haftbefehl (auch) außerhalb eines Beschwerde- oder Erinnerungsverfahrens aufzuheben, ohne dass es einer Mitwirkung des Vollstreckungsgläubigers bedarf.
Zuständig für die Entscheidung ist nach § 89 Abs. 3 der Insolvenzordnung das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht.
Normenkette
InsO § 89 Abs. 1, § 153
Tenor
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Strausberg vom … 2012, 8 M …/12, wird aufgehoben, nachdem das Verfahren der Einzelzwangsvollstreckung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin am 29. August 2012 unzulässig geworden ist.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Gründe
Der Antrag der Schuldnerin vom 28. August 2012, den oben genannten Haftbefehl zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 807 der Zivilprozessordnung – im Folgenden: ZPO) außerhalb eines Beschwerde- oder Erinnerungsverfahrens aufzuheben, hat nach Anhörung des Treuhänders und des Vollstreckungsgläubigers, auf dessen Antrag der Haftbefehl ergangen ist, Erfolg.
Das Insolvenzgericht ist zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das angerufene Gericht entscheidet nach § 89 Abs. 3 der Insolvenzordnung (im Folgenden: InsO) über Einwendungen, die auf Grund des Absatzes 1 oder 2 der Vorschrift gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden. Die damit begründete Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht ist für die Entscheidung über alle insolvenzspezifischen Einwendungen gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung gegeben, sofern ohne die Regelung des § 89 Abs. 3 InsO das allgemeine Vollstreckungsgericht zuständig wäre (vgl. Amtsgericht Duisburg, Beschluss vom 11. Oktober 2011 – 62 IK 374/10, NZI 2011, S. 944). Die Zuständigkeitsveränderung greift deshalb auch im vorliegenden Fall, dass der Schuldner nach erfolgter Eröffnung des (Verbraucher-)Insolvenzverfahrens die Aufhebung eines Haftbefehls zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung begehrt (so im Ergebnis auch das Amtsgericht Strausberg als Vollstreckungsgericht in einer Stellungnahme vom 30. Oktober 2012 zum vorliegenden Verfahren). Ungeachtet der exakten Qualifikation der Entscheidung betreffend den Erlass eines Haftbefehls (§ 901 ZPO) im System des Vollstreckungsrechts als „Vollstreckungsmaßnahme” oder sonstige Maßnahme ist zur Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung eines Haftbefehls außerhalb eines Insolvenzverfahrens das allgemeine Vollstreckungsgericht in Wahrnehmung einer Annexkompetenz zur Anordnungszuständigkeit als die Stelle zuständig, die den Haftbefehl erlassen hat (vgl. dazu Münzberg in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Auflage, § 901, S. 727 f.), und an dessen Stelle in Fällen der vorliegenden Art das Insolvenzgericht tritt.
Der Antrag ist ferner zulässig, obwohl durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, nach § 80 Abs. 1 InsO auf den Treuhänder übergegangen ist. Die Zulässigkeit des Antrages folgt im vorliegenden Verfahren insoweit bereits daraus, dass sich der Treuhänder mit Schriftsatz vom 4. September 2012 dem Antrag der Schuldnerin angeschlossen hat, indem er ausführt, dass der Haftbefehl aufzuheben ist, weil Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unzulässig sind. Ungeachtet dessen ist die Schuldnerin für den gestellten Antrag aus eigenem Recht und damit unhängig von einer Unterstützung durch den Treuhänder antragsbefugt. Letzteres ergibt sich daraus, dass mit der Ermächtigung zur Verhaftung der Schuldnerin deren Freiheitsgrundrecht aus Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes nachteilig betroffenen ist, was bereits die Berechtigung, eine derartige Maßnahme gerichtlich überprüfen lassen zu dürfen, nach sich zieht.
Als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung ist ein Rechtsschutzbedürfnis in dem Sinne zu bejahen, dass im Falle der beantragten Aufhebung die Rechtsstellung der Schuldnerin verbessert wird. Der Erlass eines Haftbefehls hat als eine die Rechte des Schuldners beeinträchtigende Maßnahme nicht nur Bedeutung als Voraussetzung für die tatsächliche Inhaftnahme, sondern vielmehr mehr auch darüber hinaus, indem die rechtliche Verpflichtung zur Leistung der eidesstattlichen Versicherung nach Maßgabe der Vorschriften der Einzelzwangsvollstreckung verbindlich festgestellt wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Februar 1999 – 4 W 151/98, DGVZ 199, S. 116). Hiervon ausgehend ist der Antrag zulässig, obwohl die Vollstreckung des Haftbefehls derzeit, soweit ersichtlich, nicht betrieben wird. Die eigenständige Belastu...