Entscheidungsstichwort (Thema)
europäisches Zivilprozessrecht, grenzüberschreitender Rechtsstreit. offensichtlich unbegründete Klage
Leitsatz (amtlich)
1. Ist eine im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen anhängig gemachte Klage offensichtlich unbegründet im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EuGFVO, so ist sie vom Gericht abzuweisen, ohne dass sie zuvor dem Beklagten zugestellt wurde.
2. Eine Klage ist dann offensichtlich unbegründet im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 3 EuGFVO, wenn sie auch dann abzuweisen ist, wenn sich der Beklagte nicht zur Sache äußert.
3. In diesen Fällen kommt es nicht in Betracht, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Normenkette
EGV 861/2007 Art. 4 Abs. 4, Art. 5
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird zurückgewiesen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger behauptet, als Verbraucher bei der Beklagten eine Anzahlung in Höhe von 500,- € für den Kauf eines Autos geleistet zu haben. Dieses habe die Beklagte an einen anderen verkauft, weigere sich aber, die Anzahlung zurückzugeben.
Er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 500,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2007 zu zahlen.
Den Rechtsstreit hat der Kläger durch Übersendung des Formblatts A der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (nachfolgend: EuGFVO) eingeleitet, welches bei Gericht am 05.01.2011 einging. Dieses wies diverse Mängel auf, zu deren Beseitigung bis zum 07.02.2011 das Gericht den Kläger mit Formblatt B vom 10.01.2011 aufgefordert hat. Unter anderem wurde der Kläger zur Angabe seines Vornamens und zur Abstellung weiterer formeller Mängel aufgefordert. Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass sich seiner bisherigen Schilderung nicht entnehmen lasse, dass der behauptete Anspruch besteht. Er wurde zudem aufgefordert, den von ihm behaupteten Geschehensablaug genauer darzulegen einschließlich des Inhalts der getroffenen Absprachen, sowie das angegebene Beweismittel "Korrespondenz mit dem Verkäufer" genauer anzugeben. Für weitere Einzelheiten wird auf das übersandte Formblatt B vom 10.01.2011 (Bl. 12 GA) Bezug genommen. Darauf übersandte der Kläger ein ergänztes Formblatt A, in welchem er seinen Vornamen angab, aber seine Sachverhaltsschilderung nicht ergänzte. Er differenzierte auch die von ihm angegebenen Beweismittel nicht und legte diese auch nicht bei, mit Ausnahme eines Kontoauszuges der X-Bank vom 05.12.2007.
Das Gericht hat die auf Formblatt A erhobene Klage nicht an die Beklagte zugestellt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist ohne Zustellung an die Beklagte abzuweisen, ohne dass zuvor eine mündliche Verhandlung anzuberaumen ist.
I.
Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ist für die klägerische Rechtsverfolgung statthaft. Die Rechtssache ist grenzüberschreitend im Sinne von Art. 3 Abs. 1 EuGFVO, weil der Kläger hat seinen Wohnsitz in den Niederlanden und die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat. Der Streitwert der Klage überschreitet auch den in Art. 2 Abs. 1 S. 1 EuGFVO bestimmten Höchststreitwert von 2.000,- € nicht.
II.
Die Klage ist gemäß Art. 4 Abs. 4 S. 3 EuGFVO abzuweisen, ohne dass sie zuvor der Beklagten zugestellt werden dürfte. Art. 4 Abs. 4 EuGFVO enthält ein der deutschen Zivilprozessordnung (nachfolgend: ZPO) ansonsten fremdes "Vorprüfungsverfahren" (Jahn NJW 2007, 2890, 2894). Wenn die durch das Formblatt A anhängig gemachte Klage den Anforderungen dieses Vorprüfungsverfahrens nicht genügt, ist sie zwingend abzuweisen.
1.)
Die Klage ist gemäß Art. 4 Abs. 4 S. 3 Fall 2 EuGFVO abzuweisen, weil sie offensichtlich unbegründet ist. Ob eine Klage "offensichtlich unbegründet" ist, beurteilt sich ausschließlich nach nationalem Recht, wie Erwägungsgrund 13 der EuGFVO klarstellt. Wird ein europäisches Verfahren zur Beitreibung geringfügiger Forderungen vor einem deutschen Gericht anhängig gemacht, ist die Klage dann offensichtlich unbegründet im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 3 Fall 2 EuGFVO, wenn sie auch dann abzuweisen ist, wenn die Beklagtenpartei sich nicht zur Sache äußert. Vorliegend ist die Klage auch ohne Gegenäußerung der Beklagten als unbegründet abzuweisen. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 500,- € hat.
a)
Grundsätzlich käme ein Anspruch nach §§ 433, 323 Abs. 1, 346 BGB in Betracht. Dem Klägervortrag lässt sich jedoch weder entnehmen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten gemäß § 349 BGB den Rücktritt vom Kaufvertrage erklärt hat, noch dass er der Beklagten eine Nachfrist zur Leistung nach § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hätte. Beides wäre aber Voraussetzung für einen Anspruch auf Rückzahlung der Anzahlung. Fehlt es an der Rücktrittserklärung und/oder der Fristsetzung, bestünde allenfalls weiterhin ein Anspruch auf Lieferung des ...