Leitsatz (amtlich)
1. Befindet sich der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode, liegt das rechtliche Interesse (§ 14 Abs. 1 InsO) für die Durchführung eines zweiten Insolvenzverfahrens vor, ohne dass der Antragsteller darlegen muss, dass für ein neues Verfahren Vermögen vorhanden ist (a.A. AG Oldenburg ZInsO 2004, 1154).
2. Ob im Falle der Verfahrenseröffnung des Zweitinsolvenzverfahrens der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreift, bleibt dahingestellt.
Tenor
Der Schuldner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Wert: bis 1 500 EUR.
Tatbestand
I. Mit Antrag vom 31.08.2007, bei Gericht eingegangen am 03.09.2007, hat die Antragstellerin wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1 254,05 EUR unter Vorlage einer Fruchtlosigkeitsbescheinigung vom 14.08.2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Die gerichtsinterne Abgleichung hat ergeben, dass über das Vermögen des Schuldners bereits am 04.03.2002 unter Bewilligung von Stundung ein Insolvenzverfahren eröffnet und nach Rechtskraft des Beschlusses über die Ankündigung der Restschuldbefreiung am 02.06.2003 aufgehoben worden war. Vor weiterer Bearbeitung der Akte hat die Antragstellerin im Hinblick auf eine Teilzahlung und Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner den Insolvenzantrag für erledigt erklärt. Antrag und Erledigungserklärung sind daraufhin dem Schuldner zugestellt worden, der innerhalb der gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben hat.
Entscheidungsgründe
II. Gem. § 4 i.V.m. § 91a InsO sind die Kosten des Verfahrens dem Schuldner aufzuerlegen. Es liegt eine übereinstimmende Erledigungserklärung vor (1), der Antrag war ursprünglich zulässig (2), insbesondere lag das rechtliche Interesse i.S.d. § 14 Abs. 1 InsO vor (3).
1) Der Schuldner ist der Erledigungserklärung nicht entgegengetreten, so dass von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung auszugehen ist, bei der das Insolvenzgericht das Vorliegen eines erledigenden Ereignisses nicht nachzuprüfen hat (FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 108c). Ob das erledigende Ereignis erst nach Anhängigkeit des Antrages eingetreten ist, kann dahinstehen. Im Fall der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist überwiegend anerkannt, dass auch eine Erledigung vor Anhängigkeit schon möglich ist (FK-InsO/Schmerbach § 13 Rz. 108a).
2) Weiter waren die zugrunde liegende Forderung und der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit glaubhaft gemacht.
3) Schließlich lag auch das erforderliche rechtliche Interesse (§ 14 Abs. 1 InsO) vor.
a) Während eines laufenden Insolvenzverfahrens soll das rechtliche Interesse für die Eröffnung eines Zweitinsolvenzverfahrens fehlen, da das gesamte vom Schuldner erworbene Vermögen zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 InsO gehöre (BGH ZInsO 2004, 739). In der Rechtsprechung wird dieser Gedanke – modifiziert – auch auf die Wohlverhaltensperiode übertragen (AG Oldenburg ZInsO 2004, 1154; ebenso HambK-Wehr § 14 Rz. 49; FK-InsO/Schmerbach § 14 Rz. 49e; MK-InsO/Schmahl § 13 Rz. 91). Argumentiert wird damit, das erworbene Vermögen des Schuldners sei zwar nicht mehr Teil der Insolvenzmasse, dem Schuldner jedoch rechtlich zur Erfüllung seiner Obliegenheiten gem. § 295 Abs. 2 InsO zugewiesen. Der selbständige Schuldner habe die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen so zu stellen, wie wenn er als abhängig Beschäftigter ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Die Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens könne dem ersten Verfahren die Grundlage entziehen, weil in diesem neuen Verfahren das gesamte erwirtschaftete Vermögen wiederum zur Insolvenzmasse gehöre. Ein rechtliches Interesse sei nur erkennbar, wenn in diesem Fall die Antragstellerin darlege, dass für ein neues Verfahren Vermögen vorhanden sei.
Ob ein Zweitinsolvenzverfahren während eines laufenden Insolvenzverfahrens mangels rechtlichen Interesses oder mit anderer Begründung abgelehnt werden kann, kann für die Lösung des vorliegenden Falles dahinstehen. Ebenso kann dahinstehen, welche Konsequenzen aus der nunmehr gesetzlich geregelten Möglichkeit der Freigabe gem. § 35 Abs. 2, Abs. 3 InsO zu ziehen sind.
b) Im vorliegenden Fall befindet sich der Schuldner in der Wohlverhaltensperiode. Er hat die ursprünglich auf den Insolvenzverwalter gem. § 80 InsO übergegangene Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück erlangt. Dieses Vermögen kann Gegenstand eines erneuten Insolvenzverfahrens sein. Der Schuldner kann durchaus neues Vermögen generiert haben, z.B. aus einer Erbschaft oder bei selbständiger Tätigkeit aus Erlösen, die über den Rahmen des § 295 Abs. 2 InsO hinausgehen und die der Schuldner nach h.M. nicht abführen muss (Grote ZInsO 2004, 1105, 1109 f.). Bei der Eröffnung eines Zweitverfahrens besteht nicht die Gefahr, dass die Vermögensmassen nicht klar abgegrenzt werden können.
Hinsichtlich des ersten Insolvenzverfahrens besteht eine Einschränkung nur insoweit, dass gem. § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO pfändbare Forderungen auf Bezüge aus einem Dienst- oder vergleichba...