Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Durchführung eines Insolvenzverfahrens. Voraussetzungen für das Vorliegen von Insolvenzgründen. Anforderungen an die Bestellung eines Insolvenzverwalters

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Ernennung eines gem. § 288 InsO vorgeschlagenen Treuhänders gilt der in § 56 Abs. 1 niedergelegte Grundsatz der Unabhängigkeit von Gläubiger und Schuldner. Ein Rechtsanwalt, der einen Gläubiger vertritt, kann nicht zum Treuhänder bestimmt werden.

2. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine unanfechtbare Ermessungsentscheidung, wenn sie der Richter trifft.

 

Normenkette

InsO § 18 Abs. 2, §§ 57, 291 Abs. 2; RPflG § 18

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 21.05.2004; Aktenzeichen IX ZB 274/03)

AG Göttingen (Entscheidung vom 11.03.2003; Aktenzeichen 74 IN 114/01)

 

Tatbestand

I.

Aufgrund Eigenantrages ist über das Vermögen des Schuldners am 13.9.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt W. zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Im Berichts- und Prüfungstermin v. 4.3.2003 hat die Gläubigerversammlung Rechtsanwältin D. aus Berlin als neue Insolvenzverwalterin vorgeschlagen. Die Bestellung ist mit Beschl. v. 11.3.2003 gem. § 57 Satz 3 InsO versagt worden, da sie zu den üblichen Bürozeiten nicht erreichbar war (ZIP 2003, 592 = NZI 2003, 267 = DZWIR 2003, 261 = EWIR 2003, 1039 = InVo 2003, 236 [AG Göttingen 11.03.2003 – 74 IN 114/01]). Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG Göttingen mit Beschl. v. 29.4.2003 zurückgewiesen (NZI 2003, 441).

Im Schlusstermin v. 26.10.2004 war wiederum u.a. die Gläubigerin A. D. anwesend, im Beisein von Frau Rechtsanwältin M. Unter TOP 4 – Erörterung des Antrages auf Erteilung der Restschuldbefreiung – heißt es im Protokoll auszugsweise:

„Die Gläubigerversammlung und der Schuldner machen von ihrem Vorschlagsrecht gem. § 288 InsO Gebrauch und schlagen Rechtsanwältin M. einstimmig als Treuhänderin für die Wohlverhaltensperiode vor. Frau Rechtsanwältin M. erklärt sich ausdrücklich dazu bereit, die Aufgabe der Treuhänderin zu übernehmen.

Das Verfahren wird zur Entscheidung dem Insolvenzrichter vorgelegt.”

In der Übersendungsverfügung an den Richter befindet sich ein Hinweis, dass Frau Rechtsanwältin M. in dem Termin auch als Gläubiger-Vertreterin für das A. D. aufgetreten ist.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Insolvenzgericht hat über den bisherigen Insolvenzverwalter auch zum Treuhänder bestimmt.

1.

Zur Bestimmung des Treuhänders nach § 291 Abs. 2 InsO ist gem. § 18 RPflG der Rechtspfleger zuständig, auch wenn er einen anderen als den vom Schuldner/einzelnen Gläubigern vorgeschlagene Person zum Treuhänder bestimmt. Auf Anregung der Rechtspflegerin hat der Richter das Verfahren jedoch gem. § 18 Abs. 2 InsO an sich gezogen.

2.

§ 288 InsO räumt dem Schuldner und einzelnen Gläubigern ein Vorschlagsrecht ein für die Bestellung des Treuhänders im Restschuldbefreiungsverfahren. Anders als im Rahmen des § 57 InsO kann die Gläubigerversammlung kein grds. bindendes Wahlrecht ausüben. Eines Versagungsrechtes für das Insolvenzgericht – wie in § 57 Satz 3 InsO – bedarf es nicht. Bei der Bestellung hat das Gericht vielmehr ein freies Ermessen (MünchKomm-InsO/Ehricke, § 288 Rn. 26).

Der Treuhänder muss eine gewisse Neutralität haben (Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 288 Rn. 2; FK-InsO/Grote, § 288 Rn. 7 und 8; MünchKomm-InsO/Ehricke, § 288 Rn. 32). Davon kann bei einer (möglichen) Treuhänderin, die einen der Gläubiger vertritt, nicht ausgegangen werden (a.A. BK-InsO/Goetsch, § 288 Rn. 5; Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 288 Rn. 11 f.). Vielmehr gilt auch hier der Maßstab des § 56 Abs. 1 InsO, der Unabhängigkeit von den Gläubigern und dem Schuldner fordert.

3.

Ob gegen die Ernennung des Treuhänders keinem der Verfahrensbeteiligten ein Rechtsmittel zusteht (so MünchKomm-InsO/Ehricke, § 289 Rn. 40), kann dahinstehen. Die Entscheidung des Insolvenzrichters ist gem. § 6 Abs. 2 InsO unanfechtbar, da ein Beschwerderecht nicht vorgesehen ist. Dem Insolvenzgläubiger steht, anders als in § 57 Satz 4 InsO geregelt, kein Beschwerderecht zu. Auch ein Beschwerderecht gem. § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO besteht nicht. Für Insolvenzgläubiger ist Voraussetzung, dass sie im Schlusstermin Versagung der Restschuldbefreiung beantragt haben (Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 289 Rn. 26). Für den Schuldner findet sich eine derartige Einschränkung nicht. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass der Schuldner nur dann beschwerdeberechtigt ist, wenn ihm die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers versagt wird (vgl. FK-InsO/Ahrens, § 289 Rn. 17).

Trifft der Rechtspfleger die Entscheidung, dürfte die Möglichkeit der sofortigen Erinnerung gem. § 11 Abs. 2 InsO bestehen (vgl. Uhlenbruck/Vallender, InsO, § 289 Rn. 28; FK-InsO/Schmerbach, § 6 Rn. 44); die Entscheidung dürfte aber nur unter dem Gesichtspunkt des Ermessensnicht-/-fehlgebrauches überprüfbar sein.

4.

Eine Abkürzung der Wohlverhaltensperiode auf fünf Jahre kommt nicht in Betracht, da das Verfahren nach dem 1.12.2001 eröffnet worden ist ...

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