Tenor
Dem Betroffenen ist durch seinen Verteidiger Einsicht in die Bedienungsanleitung zum Radarmessgerät Traffipax SpeedoPhot (Zulassungszeichen 18.11/89.13) zu gewähren, und zwar entweder durch Übersenden des Originals oder einer beglaubigten Kopie zur Einsichtnahme in seiner Kanzlei oder durch Fertigung von Kopien für die Akten und anschließender Übersendung der mit den Kopien ergänzten Akten an den Verteidiger zur Einsichtnahme.
Gründe
Gegen den Betroffenen wurde am 08.09.2011 ein Bußgeldbescheid durch den Kreis Gütersloh wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erlassen, gegen den der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers Einspruch eingelegt hat. Nachdem dem Verteidiger Akteneinsicht gewährt wurde, beantragte er mit Schriftsatz vom 15.09.2011 u.a. die Beiziehung und Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung/Gebrauchsanweisung des Messgeräts, die sich nicht bei den Akten befand und sich auch bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht bei den Akten befindet. Mit Schreiben vom 23.09.2011 teilte der Kreis Gütersloh dem Verteidiger mit, dass die Bedienungsanleitung nicht Bestandteil der Bußgeldakte sei, auf dem Messprotokoll alle notwendigen Informationen zum ordnungsgemäßen Einsatz und zur einwandfreien Funktion enthalten seien und es keine Gründe gebe, die Akte unnötig "aufzubauschen". Die in der Akte enthaltenen Teile seien für die Durchführung einer Hauptverhandlung ausreichend. Mit Schriftsatz vom 28.09.2011 wiederholte der Verteidiger sein Begehren auf Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung mit der Begründung, ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung könne der Messbeamte nicht als Zeuge zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung befragt werden und lasse sich die ordnungsgemäße Bedienung und Aufstellung des Messgeräts nicht nachvollziehen und überprüfen. Mit Schreiben vom 4.10.2011 teilte der Kreis Gütersloh dem Verteidiger unter Verweis auf einen urheberrechtlichen Schutz durch den Hersteller mit, dass dem Gesuch auf Einsicht derBedienungsanleitung nicht stattgegeben werden kann.
in Bezug auf diese Entscheidung hat der Verteidiger die gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG beantragt.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Der Verteidiger hat im Rahmen des Bußgeldverfahrens, dass den Vorwurf einer Geschwindigkeitssüberschreitung zum Gegenstand, ein Recht auf Akteneinsicht in alle Unterlagen, die auch dem Gericht oder einem Sachverständigen zur Verfügung gestellt werden. Dieses Recht umfaßt auch den Einblick in die Bedienungsanleitung des Gerätes, mit dem die Messung erfolgte (vgl. LG Ellwangen DAR 2011, 418; LG Lübeck DAR 2011, 713; AG Schwelm VRR 2010, 236;AG Herford DAR 2010, 715; AG Bremervörde VRR 2011, 363; AG Oberhausen Verkehrsrecht aktuell 2011, 86; AG Kleve VRR 2008, 357). Aus dem Grundsatz der Aktenvollständigkeit folgt, dass Schriftstücke, Unterlagen, Bild- und Tonaufnahmen, die für den Betroffenen als belastend oder entlastend von Bedeutung sein könnten, diesem nicht vorenthalten werden dürfen, da dies eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bedeuten würde. Der Bedienungsanleitung des Messgeräts kommt für den Betroffenen bzw. dessen Verteidiger bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Einspruchs eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Anhand der Bedienungsanleitung läßt sich feststellen, ob Anhaltspunkte für eine Fehlmessung aufgrund nicht ordnungsgemäßer Bedienung vorliegen. Damit der Verteidiger die Bedienung und Aufstellung des eingesetzten Messgeräts nachvollziehen und überprüfen kann, ist er auf die Kenntnis vom Inhalt der Bedienungsanleitung angewiesen. Der Verteidiger hat auch prozessual das Recht, den Messbeamten als Zeugen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung zu befragen, was ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung ebenfalls nicht möglich ist.
Im vorliegenden Fall kann der Verteidiger auch nicht darauf verwiesen werden, das Akteneinsichtsrecht ausschließlich durch Einsicht in den Räumlichkeiten der Verwaltungsbehörde wahrzunehmen. Der Verteidiger hat sein Büro in Heidelberg. Eine Reise von dort aus zur Bußgeldstelle des Kreises Gütersloh in Gütersloh nur zu dem Zweck, das Original der Bedienungsanleitung dort einzusehen, kann ihm nicht zugemutet werden, da die weite Reise mit Mühe und Kosten verbunden ist, die außer Verhältnis zu Bedeutung der Sache stehen (vgl. LG Ellwangen a.a.O; BayObLG NJW 1991, 1070; AG Kleve a.a.O; AG Bremervörde a.a.O.). Zwar mag dann, wenn die Originalbedienungsanleitung für die Verwaltungsbehörde nicht entbehrlich ist, was in der Regel der Fall sein dürfte, die Fertigung von Kopien zur Vervollständigung der Akten oder gesonderten Übersendung an den Verteidiger für die Verwaltungsbehörde einen zusätzlichen Aufwand darstellen. Dieses ist jedoch hinzunehmen, da sonst die Rechte des Betroffenen nicht effektiv wahrgenommen werden können. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass die Fertigung einer Kopie einer Bedienungsanleitung die Kapazität der Behörde mehr beansprucht als das Ermöglichen einer regelmäßig auch nicht nur weni...