Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterfallen der Beschwerdebeschränkung des § 9 Abs. 1 S. 6 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bei richterlicher Festsetzung der Vergütung eines Sachverständigen. Notwendigkeit und Zulässigkeit einer nachträglichen Zulassung der Beschwerde gem. § 4 Abs. 3 JVEG. Prüfung der masserelevanten Ansprüche zur Ermöglichung der Verfahrenseröffnung im Insolvenzgutachten als Ausdruck der Ordnungsfunktion der Insolvenzordnung. Regelvergütungssatz für Erstellung eines Gutachtens des Insolvenzsachverständigen. Vergütungsminderung bei standardisierter Prüfungsreihenfolge im Insolvenzgutachten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beschwerdebeschränkung in § 9 Abs. 1 S. 6 JVEG betrifft nicht den Fall, dass das Gericht durch richterliche Festsetzung gem. § 4 Abs. 1 S. 1 2.Alt. JVEG die Vergütung des Sachverständigen von Amts wegen festsetzt. Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde der Bezirksrevision ist weder notwendig noch gem. § 4 Abs. 3 JVEG zulässig.
2. Ausdruck der Ordnungsfunktion der InsO ist die vom Insolvenzsachverständigen in seinem Gutachten zu leistende umfassende Prüfung aller masserelevanten Ansprüche zur Ermöglichung einer Verfahrenseröffnung. Diese Tätigkeit ist auskömmlich und entsprechend der vorgenannten Anforderung in der Regel mit EUR 80,-- /Stunde zu vergüten. Es ist nicht vergütungsmindernd, wenn der Sachverständige seinem Gutachten eine standardisierte Prüfungsreihenfolge zugrunde legt.
Normenkette
JVEG §§ 4, 9; InsO §§ 5, 26; JVEG § 4 Abs. 1, 3, § 4a Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 5-6; InsO § 22 Abs. 1 Ziff. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die gestellten Anträge sind unzulässig.
Die Anhörungsrüge gem. § 4a JVEG ist bereits nicht innerhalb der Frist des § 4a Abs. 2 Satz 1 JVEG erhoben worden, da die Zustellung des Beschlusses bei der Bezirksrevision am 3.6.2010 erfolgt ist.
I.Ü. ist die kumulative Voraussetzung des § 4a Abs. 1 JVEG nicht gegeben, da gegen den Festsetzungsbeschluss die sofortige Beschwerde gegeben wäre, die die Bezirksrevision nicht erhoben hat. Der „hilfsweise” diesbezügliche Antrag ist unzulässig:
Der erkennende Richter ist mit einem Teil der Literatur (Hartmann, KostG, 2010, § 9 JVEG Rn. 27 und Zimmermann, JVEG, 2005, § 9 JVEG Rn. 16) der Auffassung, dass die Beschwerdebeschränkung in § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG denjenigen Fall nicht betrifft, dass das Gericht durch richterliche Festsetzung gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. JVEG die Vergütung des Sachverständigen von Amts wegen festsetzt.
Denn das „Vorabentscheidungsverfahren” gem. § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG setzt einen Antrag des Sachverständigen voraus und § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG bezieht sich nur auf das Vorabentscheidungsverfahren (OLGR Celle 2008, 224).
Die Frage der – rechtzeitigen – Einlegung der Beschwerde bleibt damit der Bezirksrevision überantwortet (Bl. 76 ff. d.A. ist keine sofortige Beschwerde, da nur „hilfsweise” beantragte „Zulassung”). Die Zulässigkeit einer eingelegten sofortigen Beschwerde vor dem Hintergrund des o.a. Meinungsstreites wäre dann gfs. vom LG zu prüfen.
Einer „nachträglichen” Zulassung der Beschwerde bedarf es daher nicht und diese wäre gesetzlich nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 JVEG („in dem Beschluss”) auch nicht statthaft. Dies wurde der Bezirksrevision in den vergangenen Wochen bereits mehrfach mitgeteilt.
Das AG beabsichtigt nicht, in jeder weiteren Akte den gleichen Hinweis zu erlassen.
Der weitere Antrag bzgl. einer „erneuten” (?) Festsetzung ist nicht nachvollziehbar.
I.Ü. kann im Wege der sofortigen Beschwerde das rechtliche Gehör der beschwerten Seite im Abhilfeprüfungswege nachgeholt werden, sodass es einer Anhörungsrüge nicht bedarf (BGH, ZInsO 2009, 1491).
Entscheidungsgründe
II.
Die Einwendungen der Bezirksrevision sind i.Ü. unbegründet:
1.
Der Sachverständige hat – auch im Insolvenzverfahren – Anspruch auf auskömmliche und ordnungsgemäße Vergütung. Die „Mischvergütungs-Rechtsprechung” des BGH zum Insolvenzverwalter (BGH, 13.3.2008 – IX ZB 63/05), die i.Ü. in der Literatur massiv umstritten ist, ist auf den Sachverständigen, dessen Regelung in §§ 404 ff. ZPO stattfindet, ganz offensichtlich nicht anzuwenden (Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4.Aufl., § 11 Rn. 87). Die Aufgaben des isolierten Sachverständigen und des als Sachverständiger handelnden vorläufigen Insolvenzverwalters stimmen nicht voll überein (s. § 22 Abs. 1 Ziff.3 InsO). Der vorläufige Verwalter ist z.B. qua Amt verpflichtet, die Frage der Deckung der Verfahrenskosten zu prüfen. Der diesbezügliche Rechtsvortrag der Bezirksrevision ist daher nicht nachvollziehbar.
2.
Die Ansicht der Bezirksrevision, das insolvenzrechtliche Sachverständigengutachten sei „standardisiert”, es lägen im wesentlichen gleiche Sachverhalte vor, die Verfahren hätten i.d.R. „wenig Masse” zum Gegenstand offenbart Unkenntnis vom Insolvenzeröffnungsverfahren.
Das Gericht darf nu...