Leitsatz (amtlich)
1. § 15 Abs. 2 InsO ist entsprechend anzuwenden auf das Verhältnis zwischen dem Abwickler nach § 37 Abs. 2 KWG und den Organen des Schuldners.
2. Abwicklungsmaßnahmen nach § 37 Abs. 1 KWG können die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO an den Ort verschieben, an dem der Abwickler schwerpunktmäßig seine Abwicklungstätigkeit durchführt.
Tenor
Im Wege der Abhilfe wird der Beschluß dieses Gerichts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 22. April 2005 auf die sofortige Beschwerde vom 4. Mai 2005 aufgehoben.
Tatbestand
I. Der Schuldnerin, der Treuhandkommanditistin der zweigliedrigen V GmbH & Co. KG „V-KG”), wurde mit Verfügung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht „BaFin”) vom 13. August 2004 aufgegeben, ihren Geschäftsbetrieb einzustellen, soweit sie als Treuhandkommanditistin in das Betreiben unerlaubter Finanzkommissionsgeschäfte der KG einbezogen sei. Zudem wurde die Abwicklung der Geschäfte aufgegeben (§ 37 Abs. 1 Satz 2 KWG). Der Antragsteller wurde von der BaFin am selben Tage als Abwickler i.S.v. § 37 Abs. 1 KWG eingesetzt. „Anleger” beteiligten sich über Treuhandverträge, die sie mit der Schuldnerin als Treuhandkommanditistin schlossen. Die Schuldnerin ist Treuhandkommanditisten zweier weiterer Kommanditgesellschaften, der M GmbH & Co. KG „M-KG”) und der F GmbH & Co. KG „F-KG”).
Mit Insolvenzantrag vom 14. April 2005 beantragte der Abwickler für die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Aufgrund eines vom Abwickler erstellten Gutachtens wurde die sofortige Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt. Am 22. April 2005 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, hat mit Schreiben vom 4. Mai 2005, eingegangen am 6. Mai 2005, sofortige Beschwerde eingelegt.
Im Rahmen des Abhilfeverfahrens wurde der Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, rechtliches Gehör gewährt.
Im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Komplementär-GmbH hat das Gericht einen Sachverständigen eingesetzt (67a IN 221/05). Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der V-KG hat das Gericht als unzulässig zurückgewiesen (67a IN 222/05). Der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat das Gericht nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Auf die sofortige Beschwerde hin, war der Eröffnungsbeschluß aufzuheben.
a) Die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, ist beschwerdebefugt
(vgl. BGH, ZInsO 2003, 848).
b) Das Amtsgericht Hamburg ist allerdings – entgegen der Rechtsauffassung des Geschäftsführers der Schuldnerin – örtlich zuständig. Der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Schuldnerin liegt in Hamburg und stellt damit einen anderen Ort als denjenigen ihres allgemeinen Gerichtsstandes (§ 3 Abs. 1 Satz 2 InsO) dar. Zwar ist die Schuldnerin aufgrund der vollziehbaren Verfügung der BaFin im Sinne des Gesellschaftsrechts nicht von einem werbenden zu einem abwickelnden Gesellschaftszweck übergegangen. Denn die Verfügung bezieht sich lediglich auf die Geschäftseinstellung und die Abwicklung soweit sie als Treuhandkommanditistin in das Betreiben unerlaubter Finanzkommissionsgeschäfte der V-KG sowie der M-KG einbezogen ist. Soweit die Schuldnerin Kommanditistin der F-KG ist, liegt die Situation anders, da deren Abwicklung ausgesetzt wurde. Da jedoch i.E. der wesentliche Teil der Tätigkeit der Schuldnerin untersagt ist, sind die Überlegungen der ganz überwiegenden und zutreffenden Meinung entsprechend heranzuziehen, nach denen die in § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO genannte wirtschaftliche Tätigkeit auch Maßnahmen im (gesellschaftsrechtlichen) Abwicklungsstadium umfaßt
(vgl. LG Hamburg, ZInsO 2000, 118; Gerhardt, in: Jaeger, Insolvenzordnung, Bd. 1, 2004, § 3, Rn. 25).
Soweit der Abwickler zur Abwicklung entsprechend der Verfügung der BaFin berechtigt ist und seine Abwicklertätigkeit von den Räumen seiner in Hamburg belegenen Rechtsanwaltskanzlei aus durchführt, ist von einem Mittelpunkt der Tätigkeit in Hamburg auszugehen.
c) Der sofortigen Beschwerde war abzuhelfen, da aufgrund der Gegenglaubhaftmachung i.S.v. § 15 Abs. 2 InsO analog durch die Schuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, die zur Verfahrenseröffnung erforderliche Überzeugung des Gerichts vom Vorliegen eines Insolvenzgrundes nicht mehr besteht.
aa) Die Regelungen des § 15 Abs. 2 InsO sind im vorliegenden Fall entsprechend anzuwenden.
Das Verhältnis des Abwicklers nach § 37 Abs. 1 KWG mit eigenem Insolvenzantragsrecht nach § 37 Abs. 2 KWG zu den daneben weiter im Amt befindlichen Organen der Gesellschaft hat die Insolvenzordnung nicht geregelt. Diese Regelungslücke ist planwidrig. Die Befugnis eines Abwicklers i.S.d. Kreditwesengesetzes zur Stellung eines Insolvenzantrags ist erst durch die Einführung des § 37 Abs. 2 KWG (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz 2002) ausdrücklich in das...