Leitsatz (amtlich)

1. Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten durch Bildung eines Mittelwertes zwischen den Daten des Schwacke-Automietpresspiegels und dem Marktpreisspiegel Deutschland des Fraunhofer Instituts: Die Bildung eines Mittelwertes aus beiden Schätzungsgrundlagen stellt daher eine geeignete Methode zur Schadenschätzung dar.

2. Der gegenüber dem Geschädigten erhobene Vorwurf der mangelnden Markterkundigung greift bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten anhand von Normalpreisen nicht, weil insoweit Fehlverhaltensvorwürfe nicht als berechtigt feststellbar sind.

 

Normenkette

BGG §§ 249 ff; BGB § 7; VVG § 115; ZPO § 287

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 168,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 10.06.09 sowie weitere 42,12 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 30% und die Beklagte zu 70% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Von der Darstellung wird abgesehen gem. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Entscheidungsgründe

Der Kläger macht gegen die Beklagte, eine Haftpflichtversicherung, Ansprüche auf Ersatz noch ausstehender Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfallereignis am 06.12.2008 in ... geltend.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfallereignis ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 7 I, 18, 823 I BGB i.V.m. §§ 249 II 1, 398 BGB, § 115 Abs. 1 Nr.1 VVG zu. Die dem Grunde nach vollumfängliche Einstandspflicht der Beklagten für die bei dem Unfallereignis entstandenen Schäden steht außer Streit.

Der Kläger ist ausweislich der vorgelegten Rückabtretung vom 14.04.2009 (Bl. 39 d.A.) auch aktiv legitimiert. Das Gericht legt den Klägerantrag zu 2) nach § 133, 157 BGB dahin aus, dass nunmehr Zahlung der verbleibenden Mietwagenkosten an den Kläger erfolgen soll.

Die nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Mietwagenkosten beziffert das Gericht auf 283,40 EUR, die erforderlichen Kosten der Abholung auf 20 EUR, so dass sich abzüglich der vorprozessualen Zahlung i.H.v. 135 EUR ein zuzusprechender Betrag i.H.v. 168,40 EUR ergibt.

1.

Grundsätzlich kann der Geschädigte nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf (st. Rspr. des BGH, zuletzt: BGH, NJW 2009, 58, 58; BGH, Beschluss vom 13.01.2009, VI ZR 134/08). Dies umfasst grundsätzlich auch die Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs war vorliegend unstreitig erforderlich.

§ 249 Abs.2 S.1 BGB beschränkt den Ersatzanspruch des Geschädigten auf den erforderlichen Herstellungsaufwand, also die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (BGH NJW 2009, 58 f.; 2008, 1519 f.). Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zu wählen. Erforderlichkeit nach § 249 II 1 BGB bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass der Geschädigte von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich verlangen kann (st. Rspr. des BGH, BGH NJW 2009, 58; 2008, 1519 f.).

3.

Diesen als "Normaltarif" bezeichneten Mietpreis schätzt das Gericht auf der Grundlage des Mittelwerts zwischen dem Wert des sog. "Mietpreisspiegels" der Fa. "Eurotax Schwacke" (im Folgenden: Schwacke-Liste) und dem Wert des sog. "Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland" des "Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO" (im Folgenden: Fraunhofer-Liste). Dies stellt nach Ansicht des Gerichts - nach derzeitigem Sachstand - die am besten geeignete Methode für eine Schadensschätzung im Rahmen des § 287 ZPO dar.

a)

Es steht im tatrichterlichen Ermessen, die Angemessenheit des Normaltarifs nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2010 - VI ZR 293/08).

b)

Als Vergleichs- und Schätzgrundlage für die Ermittlung des insoweit ersatzfähigen Mietpreises stehen die Schwacke-Liste sowie der Fraunhofer Mietpreisspiegel zur Verfügung und werden von dem Kläger (respektive: der Beklagten) als Grundlage für ihre jeweilige Position herangezogen. Beide Listen weisen mitunter erhebliche preisliche Differenzen für denselben Anmietzeitraum desgleichen Fahrzeuges auf.

Zu der Frage, welcher der Listen bei der Ermittlung der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB "erforderlichen" Mietwage...

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