Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorrang kommunaler Baumschutzsatzungen gegenüber § 910 BGB
Leitsatz (amtlich)
Unter "landesgesetzlichen Vorschriften" im Sinne von Art. 111 EGBGB können nur solche Regelungen verstanden werden, welche in einem gesamten Bundesland anzuwenden sind. In NRW erlassene kommunale Baumschutzsatzungen fallen nicht unter die Vorschrift (a.A. OLG Hamm Beschluss vom 6.11.2007 - 3 Ss OWi 494/07-, NJW 2008, 453).
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
1.
den auf dem Grundstück des Grundeigentums F-straße ... in 50170 K. in Höhe des Hauses der Kläger stehenden Walnussbaum so zurückzuschneiden, dass keine Äste und Zweige auf das Grundstück der Kläger F-straße ... in 50170 K. hinüber ragen und
2.
an die Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 - zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5000 - vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstückes F-straße ... in K.. Die Beklagten sind die Eigentümer des Nachbargrundstückes F-straße ..., welches mit einem - vermieteten - Einfamilienhaus bebaut ist. Auf dem Grundstück der Beklagten steht in Höhe des Einfamilienhauses der Kläger einen Walnussbaum, dessen Äste und Zweige weit über die Grundstücksgrenze in das Grundstück der Kläger hineinragen. Wegen der Größe des Baumes und der näheren Örtlichkeit wird auf die von den Parteien zur Gerichtsakte gereichten Fotos Bezug genommen.
Aufgrund der Größe des Baumes und seiner Nähe zur Grundstücksgrenze verstopfen bzw. verunreinigen von dem Baum herabfallende Blätter und Zweige bzw. Äste die parallel zur Grundstücksgrenze verlaufende Dachrinne des klägerischen Hauses.
Vorgerichtlich wurden die Beklagten von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger mit einem Schreiben vom 26.8.2008 (vgl. die Seite 1 des Schreibens = Bl. 9b GA und Seiten 2 und 3 = Bl. 71 f. GA) aufgefordert, den Walnussbaum zu beschneiden und zu stutzen. Weiter wurden sie aufgefordert, eine Hecke zu beschneiden, was zwischenzeitlich (also vor Einreichung der Klage) auch erfolgte. Schließlich haben die Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung noch ein Schreiben vom 9.12.2008 (vgl. Bl. 73 GA) zur Gerichtsakte gereicht, welches sich mit der von den Beklagten eingeforderten Dachrinnenreinigung befasst.
Wegen des begehrten Rückschnitts des Walnussbaums wurde erfolglos ein Streitschlichtungsverfahren durchgeführt.
Die Kläger beantragen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,
1.
den auf dem Grundstück des Grundeigentums F-straße ... in 50170 K. - in Höhe des Hauses der Kläger - stehenden Walnussbaum so zurückzuschneiden, dass keine Äste und Zweige auf das Grundstück der Kläger, F-straße ... in 50170 K., hinüber ragen hilfsweise dazu an die Kläger einen angemessenen Ausgleich, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu zahlen gemäß § 906 Abs. 2 BGB sowie
2.
an die Kläger 111,92 - (für eine Dachrinnenreinigung) zu zahlen und
3.
an die Kläger 229,55 - (an vorgerichtlichen Anwaltskosten) zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, zu dem begehrten Rückschnitt des Walnussbaums aufgrund der in Kerpen gültigen Baumschutzsatzung nicht berechtigt zu sein. Dazu behaupten sie, sich erfolglos bei der Stadt Kerpen um eine Genehmigung des begehrten Rückschnitt oder sogar um eine Genehmigung einer vollständigen Fällung des Baumes bemüht zu haben.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftwechsel der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist weit überwiegend begründet.
Den Klägern steht gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Entfernung der Äste und Zweige zu, welche von dem Grundstück der Beklagten über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Kläger hinüber reichen. Dieser Anspruch folgt aus § 910 Abs. 1 BGB. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks herüberragende Zweige abschneiden und behalten, wenn der Eigentümer (des gestörten Grundstücks) dem Besitzer des Nachbargrundstücks eine angemessene Frist zur Beseitigung bestimmt hat und die Beseitigung nicht innerhalb der Frist erfolgte.
Zu richten ist die Erklärung dabei einem denjenigen, der die tatsächliche Verfügungsbefugnis über den Grundstücksteil hat, aus dem das Gewächs an die Oberfläche tritt (vgl. Säcker, MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2009, § 910 Rz. 4). Ungeachtet des Umstandes, dass zumindest das auf dem Grundstück der Beklagten stehende Haus hier unstreitig von den Beklagten vermietet wurde, sind die Beklagten als Grundstückseigentümer nach Auffassung des Gerichts passivlegitimiert. Entscheidend ist insofern, dass die begehrte Maßnahme weit über das hinaus reicht, was üblicherweise von Mietern als Gartenpflege geschuldet wird und erwartet werden kann. Offen bleiben kann daher auch, ob sich der Mietvertrag - was alleine naheliegend ist - auf das gesamte Grundstück...