Leitsatz (amtlich)
Auch ein besonders gefährliches, über die eigentliche Fortbewegung hinaus Unterhaltszwecken dienendes Fahrverhalten (hier: Fahrt mit einem Motorrad allein auf dessen Hinterrad) stellt für sich noch keinen verkehrsfremden Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b StGB dar.
Normenkette
StGB § 315b
Gründe
Der Antrag der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen ist, ist zulässig und dringt auch in der Sache - wenngleich mit abweichender Begründung - durch.
1.
Dem Erfolg des Antrags steht insbesondere nicht schon entgegen, dass er erst knapp drei Monate nach dem Tattag gestellt wurde (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 54. A. 2011, § 111a Rdn. 3 m.w.N. zum Meinungsstand), denn nach Erstellung eines im Ermittlungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens und sodann erfolgter Abgabe durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft ist unmittelbar danach von dieser der Antrag gestellt worden. Eine Entscheidung über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis kommt aber regelmäßig erst in Betracht, wenn der Sachverhalt genügend aufgeklärt ist (vgl. König, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. A. 2011).
Auch die materiellen Voraussetzungen für die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung nach § 111 a StPO sind nach dem bisherigen Ermittlungsstand gegeben.
Danach befuhr der Beschuldigte am 27.08.2011 gegen 21:17 Uhr mit dem Kraftrad Suzuki Typ GSX-R 750/WVB 3 mit einer (zulassungs-)bescheinigten Nennleistung von 25 kw (9300 Umdrehungen/min) - amtliches Kennzeichen R - in M. öffentliche Straßen, u.a. die Hauptstraße. Dabei bewirkte er durch eine gezielte Betätigung des Gashebels, dass sich das Kraftrad mit dem Vorderrad von der Straße aufrichtete (sog. Gas- wheelie). Nachdem der Beschuldigte zunächst allein auf dem Hinterrad weitergefahren war, verlor er aus nach derzeitigem Sachstand unbekannten Gründen die Kontrolle über das Kraftrad und stürzte. Das Kraftrad rutsche über die Straße auf einen angrenzenden Gehweg, verfehlte dabei sich zwei dort befindliche Passanten letztlich nur dank deren schnellen Ausweichens um weniger als einen Meter und kollidierte schließlich mit zwei Verkehrsschildern, von denen eines leicht beschädigt, eines zerstört wurde. Der Beschuldigte verfügt seit dem 29.09.2010 über eine Fahrerlaubnis der Klasse A, wobei diese bis zum 29.09.2012 auf Krafträder mit einer Leistung von maximal 25 kw beschränkt ist. Nach den vorläufigen Untersuchungen des Sachverständigen wurden an dem Kraftrad technische Veränderungen vorgenommen, nämlich ein Ausbau der Leistungsreduzierung im Ansaugkanal, was zur Folge hat, dass eine Leistung von ca. 50 bis 60 kw erzielt werden kann.
2.
Dem Beschuldigten war vorläufig die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenngleich er - wie noch näher auszuführen sein wird - jedenfalls nach bisherigem Ermittlungsstand nicht der Begehung einer Katalogtat im Sinn des § 69 Abs. 2 StGB dringend verdächtig ist. Der Beschuldigte ist aber jedenfalls dringend verdächtig, mit dem Kraftrad öffentliche Straßen befahren zu haben, obwohl er - wie er wusste - nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis war (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG). Dies genügt bereits für sich, um ihm die Fahrerlaubnis vorläufig zu entziehen.
a) Gemäß § 111 a Abs. 1 S. 1 StPO kann dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis endgültig gemäß § 69 StGB entzogen werden wird. "Dringende Gründe" sind dabei im Sinn eines "dringenden Tatverdachts" (§ 112 StPO) zu verstehen. Erforderlich ist mithin, dass nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis in seiner Gesamtheit eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschuldigte Täter oder Teilnehmer einer rechtswidrigen Tat im Sinn des § 69 StGB ist und darüber hinaus ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Gericht den Beschuldigten für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen halten und ihm daher die Fahrerlaubnis entziehen wird (vgl. statt vieler Meyer-Goßner, a.a.O., § 111a Rdn. 2 m.w.N.), wobei bei der Prüfung im Rahmen des § 111 a StPO ein auf die Verurteilungschancen bezogenes Wahrscheinlichkeitsurteil auf Grund des vorliegenden Tatsachenmaterials zu treffen ist (vgl. LG Meiningen, Beschluss vom 20.08.2009 - 2 QS 152/09, Tz. 7, zitiert nach [...]). Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 StGB entzieht das Gericht u.a. dann (endgültig) die Fahrerlaubnis, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird und sich aus der Tat ergibt, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Ungeeignetheit muss sich aus der sog. Anlasstat ergeben. Sie liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen des Täters und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass seine Teilnahme am Kraftfahrzeugverkehr zu ...