Entscheidungsstichwort (Thema)
Folgen der Freigabe von Wohnungseigentum
Leitsatz (amtlich)
1. Gibt der Insolvenzverwalter Wohnungseigentum frei, wird die Masse nicht von der Entrichtung der Hausgelder entlastet. Es gilt der Grundsatz fort, wonach Verbindlichkeiten nur mit Zustimmung des Gläubigers „freigegeben” werden können.
2. Die nach der Freigabe fällig werden Hausgelder, das sind die Vorschüsse auf den Wirtschaftsplan, die Abrechnungssalden der Jahresabrechnungen und Sonderumlagen, sind als Masseschulden zu berichtigen.
3. Ein Mietverhältnis wird auch nach der Freigabe mit dem Insolvenzverwalter fortgesetzt.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 200,– abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf EUR 2.219,17 festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagte ist Mitglied der Klägerin und eignet in der Wohnanlage die Einheiten Nr. 13 und 90 (Parkplatz). Über das Vermögen der Beklagten wurde durch das Insolvenzgericht des AG Braunschweig am 6.5.2009 das insolvenzverfahren eröffnet (AZ: 275 iN 197/09a). Mit Schreiben vom 23.7.2009 gab der Insolvenzverwalter das Teileigentum der Beklagten frei. Wegen des Inhalts der Erklärung wird auf AS 32 verwiesen.
Die Versammlung der Wohnungseigentümer beschloss am 17.10.2009 die Jahresabrechnung 2008/2009. Bereits am 27.9.2009 hatten die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan 2009/2010 beschlossen. Danach ist für das Teileigentum Nr. 13 ein monatlicher Vorschuss von EUR 101,– und für den Parkplatz Nr. 90 ein solcher in Höhe von EUR 17,– zu entrichten. Gleichfalls auf der Versammlung vom 17.10.2009 beschlossen die Wohnungseigentümer eine Sonderumlage zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden in der Tiefgarage in Höhe von insgesamt EUR 130.000,–. Die auf die Beklagte entfallenden Anteile für die Teileigentumseinheit Nr. 13 betrugen EUR 393,50 und für die Nr. 90 EUR 67,–. Die vorgenannten Beschlüsse sind in Bestandskraft erwachsen.
Nachdem die Beklagte weder die Abrechnungssalden, die Sonderumlage und die Vorschüsse auf den Wirtschaftsplan für den Zeitraum von Juli 2009 bis einschließlich Februar 2010 nicht entrichtete, erhob die Klägerin Klage in nachstehenden Umfang:
Jahresabrechnung 2008/2009 |
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Teileigentum Nr. 13 |
EUR 668,52 |
Parkplatz Nr. 90 |
EUR 146,15 |
Wirtschaftsplan 2009/2010 |
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TENr. 13 7/09-2/10 ä EUR 101,– |
EUR 808,– |
PNr. 90 7/09-2/10 ä EUR 17,– |
EUR 136,– |
Sonderumlage |
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TE Nr. 13 |
EUR 393,50 |
P Nr. 90 |
EUR 67,– |
Gesamt |
EUR 2.330,13 |
Die Klägerin behauptet,
die Beklagte sei zur Zahlung der geltend gemachten Beträge auf Grund der bestandskräftigen Beschlussfassungen verpflichtet. Dem stehe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entgegen, denn der Insolvenzverwalter habe das Teileigentum freigegeben und die geltend gemachten Beträge seien ausnahmslos nach der Freigabe fällig geworden. Die Beklagte sei daher einschließlich der angefallenen Verwalterkosten für die Beitreibung zu verurteilen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von EUR 2.330,13 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeitzu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Sie behauptet,
seit ihrer Insolvenz sei sie, pfandfrei lebend, nicht in der Lage die Hausgelder zu entrichten. Der Insolvenzverwalter habe die Mieten vereinnahmt und sei demzufolge verpflichtet, die Hausgelder zu bezahlen, dessen ungeachtet sei die geltend gemachte Forderung zur Tabelle angemeldet worden. Ihr sei bedeutet worden, sie müsse sich um den Verkauf der Wohnung nicht mehr kümmern, denn die Bank werde die Zwangsversteigerung einleiten. Erst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens habe sie erfahren, dass diesbezüglich nichts geschehen sei. Die Mietzinsansprüche seien an die … Bank abgetreten (Bl. 44), die wiederum die Gemeinschaft befriedigen müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Beklagte ist nicht passiv legitimiert für den geltend gemachten Hausgeldanspruch, denn dieser ist vom insolvenzverwalter aus der Masse zu befriedigen. Das erkennende Gericht hat bereits mit Beschluss vom 14.7.2004 (NZI 2004, 800) ausgeführt, dass die vom Insolvenzverwalter erklärte „Freigabe” des Wohnungseigentums ihn nicht von der Verpflichtung befreit, Hausgeld Verpflichtungen, die nach dieser Erklärung fällig werden, als Masseschuiden zu befriedigen. An diesem Standpunkt wird nach erneuter Sach- und Rechtsprüfung festgehalten.
Neuerdings hat Luke (ZWE 2010, 62, 661; ders. Festschrift für Wenzel, 2005, S. 235f., 242f.) den gegenteiligen Standpunkt vertreten. Grundlage der Zahlungsverpflichtung des Hausgeldes sei nicht die Eigentümerstellung, sondern die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft. Das erkläre, weshalb die Freigabe als solche ...