Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Die Akten sind dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Tatbestand
Das erkennende Gericht hält die Bestimmungen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung, §§ 286 ff. der Insolvenzordnung, für verfassungswidrig, weil sie gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz verstoßen.
Da die zu treffende Entscheidung über den Antrag des Schuldners auf Stundung der Verfahrenskosten gemäß § 4 a InsO davon abhängt, ob die vorgenannten Regelungen verfassungsgemaß sind, war das Verfahren auszusetzen und im Wege des konkreten Normenkontrollverfahrens dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, § 80 BVerfGG in Verbindung mit Art. 100 I Grundgesetz.
I.
Der Schuldner ist zu 50% Gesellschafter einer GmbH, über deren Vermögen im Jahre 2001 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Seit Januar 2002 ist er als selbständiger Immobilienmakler tätig.
Im März 2002 beantragte er Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens und stellte zugleich Antrag auf Erteilung der Rest-schuldbefreiung (nachfolgend RSB).
Seine Verbindlichkeiten gegenüber insgesamt 30 Gläubigern beziffert er im Insolvenzantrag mit etwa 47 Millionen Euro. Gegenüber einem vom Gericht bestellten Gutachter hat er seine Gesamtschulden mit rund 15 Millionen Euro angegeben. Die Verbindlichkeiten beruhen zum überwiegenden Teil auf Bürgschaftsverpflichtungen, die er für die insolvente GmbH eingegangen ist. Zu verwertendes Aktivvermögen wurde vom Gutachter nicht festgestellt.
Anfang August 2002 hat der Schuldner Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten gestellt und sein seit Januar 2002 erzieltes Nettoeinkommen mit monatlich ca. … Euro bezeichnet.
Entscheidungsgründe
II.
Die Voraussetzungen für die Stundung der Verfahrenskosten nach § 4 a InsO liegen vor. Das Gericht sieht sich jedoch an einer Bewilligung dadurch gehindert, daß es die §§ 286 ff. InsO für verfassungswidrig erachtet.
Nach § 4 a Abs. 1 Satz 1 InsO ist Stundung für jeden Verfahrensabschnitt des Insolvenzverfahrens nur zu bewilligen, wenn Antrag auf RSB gestellt ist. Da Voraussetzung der Stundung ist, daß kein zur Deckung der Verfahrenskosten ausreichendes Vermögen vorhanden ist, findet in Stundungsfällen nahezu ausnahmslos eine Vermögensverwertung zur anteiligen Befriedigung von Gläubigern im Insolvenzverfahren nicht statt. Alleiniges Ziel der Stellung eines Insolvenzantrags ist vielmehr die Erlangung der Schuldbefreiung.
Würde die Verfassungswidrigkeit der §§ 286 ff. InsO festgestellt werden, wäre eine Stundung zu versagen, weil RSB nicht erlangt werden könnte. Für die zu treffende Entscheidung kommt es somit auf die Gültigkeit der genannten Bestimmungen an.
III.
Einen Verstoß gegen Art. 14 I GG sieht das Gericht darin, daß der Gesetzgeber es im Restschuldbefreiungsverfahren unterlassen hat, die Rechte und Pflichten des Schuldners einerseits, der Gläubiger anderseits in ein am Interesse der Beteiligten orientiertes ausgewogenes Verhältnis zu bringen, wozu er verfassungsrechtlich verpflichtet ist (BVerfG E 37, 340).
Bereits in der ursprünglichen Fassung der Insolvenzordnung wurde in der Literatur die RSB teilweise als verfassungswidrig eingestuft (vgl. Nachweise bei Kübler –Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, Rdn. 56 ff. zu § 286). Jedenfalls seit der Änderung der Insolvenzordnung zum 1.12.2001 betonen die §§ 286 ff. InsO die Rechte des Schuldners so einseitig, daß die Grenzen einer zulässigen Inhaltsbestimmung des Eigentums überschritten sind.
1.) Zum 1.12.2001 hat sich der Zeitraum, in der eine RSB erlangt werden kann, von ca. 8 bis 10 Jahren (vgl. Zeitplan bei Messner/Hofmeister, Endlich schuldenfrei, 2. Aufl., S. 219 ff.) auf knapp über 6 Jahre verkürzt. Mit der gleichzeitig eingeführten Stundung von Verfahrenskosten gem. § 4a InsO wurde auch Personen, deren Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten nicht ausreicht, der Zugang zum RSB Verfahren eröffnet.
In der Praxis des Amtsgerichts München wird in über 90 % der Insolvenzanträge von Einzelpersonen Stundung der Verfahrenskosten beantragt und bewilligt. Ähnliches wird von anderen Amtsgerichten berichtet (so für das AG Köln: Vallender „Kostenlawine Stundungsmodell?”, NJW Editorial Heft 22/2002).
In Verbindung mit der Anhebung der Pfändungsfreigrenzen zum 1.1.2002 führt dies dazu, daß in über 90 % der Verfahren es weder ein im eigentlichen Insolvenzverfahren an die Gläubiger zu verteilendes Vermögen gibt, noch das Einkommen des Schuldners die Pfändungsfreigrenze übersteigt. Dies bedeutet, daß nur in einer verschwindend geringen Zahl von Verfahren vom Schuldner wenigstens die von der Staatskasse vorfinanzierten Verfahrenskosten durch Abtretung des pfändbaren Einkommens in der 6-jährigen sog. Wohlverhaltensphase zurückgeführt werden können. Gläubiger gehen in nahezu allen Verfahren völlig leer aus (vgl. Kirchhof in ZinsO 2001, 13: „Spätestens, wenn ein vieljähriges aufwendiges Gerichtsverfahren vorrangig dazu dient, s...